WM-Gastgeber Katar soll weder Kosten noch Mühen gescheut haben, den einstigen deutschen Spitzenfunktionär Theo Zwanziger von seiner kritischen Haltung gegenüber dem Wüstenemirat abzubringen.
Der frühere Präsident des Deutschen Fußball-Bundes mit Sitz in der FIFA-Exekutive sollte einem Bericht zufolge von der Firma eines ehemaligen CIA-Agenten beeinflusst werden. Der 76-Jährige aus Altendiez hat inzwischen teilweise Einblick in die Unterlagen, die der amerikanischen Nachrichtenagentur AP vorliegen. «Sie sind zumindest schlüssig, deshalb muss ich davon ausgehen, dass der Vorgang so war», sagte der 76-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Ausführlich äußern will sich Zwanziger erst bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. AP-Unterlagen zufolge sollen aus Katar allein 10 Millionen US-Dollar (heute rund 9 Millionen Euro) geflossen sein, um den Katar-kritischen Funktionär umzudrehen. Beauftragt dafür war demnach die vom früheren CIA-Mann Kevin Chandler gegründete Firma Global Risk Advisors (GRA). Für deren Projekt «Riverbed» («Flussbett») sollen ursprünglich sogar 27 Millionen Dollar vorgesehen gewesen sein.
Kritik an WM-Vergabe
Zwanziger war zwischen 2004 – zunächst zwei Jahre als Doppelspitze mit Gerhard Mayer-Vorfelder – und 2012 DFB-Präsident und saß von 2011 bis 2015 im Exekutivkomitee des Weltverbandes FIFA. Er hatte immer wieder die Vergabe der WM an Katar kritisiert, die in diesem Jahr vom 21. November bis 18. Dezember ansteht. 2016 entschied das Landgericht Düsseldorf, dass er das Emirat als «Krebsgeschwür des Weltfußballs» bezeichnen darf, wie er es 2015 in einem Interview getan hatte. Er gewann damit einen Rechtsstreit mit dem Fußballverband von Katar. Die versuchten Beeinflussungen Zwanzigers sollen 2014 geendet haben.
GRA bestritt gegenüber AP nicht, dass es «Riverbed» gegeben habe, es habe sich aber um eine Art «Medien-Monotoring» gehandelt. Der Bericht basiere aber auf «Falsch-Informationen aus unbekannten Quellen».
Beeinflussung bis ins persönliche Umfeld
Auch laut der «Süddeutschen Zeitung» sei Zwanziger als «Bedrohung für Katars WM-Ambitionen» gesehen worden, die Beeinflussungen seien bis ins persönliche Umfeld gegangen. «Manches, insbesondere von der FIFA her, macht mich nachdenklich, das kann ich auch personenmäßig adressieren. Allerdings muss ich extrem vorsichtig sein, um nicht Freundschaften und andere Dinge plötzlich in Frage zu stellen – ohne Not», sagte Zwanziger im Rückblick nach den neuesten Erkenntnissen. Es seien sehr umfangreichen Vorgänge und Unterlagen: «Ich kann ja nicht glauben, dass das alles erstunken und erlogen ist.»
Die Vergabe des Endrundenturniers im Dezember 2010 an Katar sorgt weltweit seitdem für massive Kritik, vor allem von Menschenrechtlern, die unter anderem den Umgang mit Arbeitern auf den WM-Baustellen mit vielen Toten bemängeln. Zudem gab es immer wieder Korruptionsvorwürfe. Gegen einen Boykott hatte sich zuletzt erneut DFB-Direktor Oliver Bierhoff gewehrt. Er sieht die FIFA als Ausrichterin und Organisatorin des Turniers gefordert, für Aufklärung zu sorgen.
«Der Sport hat die Kraft, Brücken zu bauen, im Dialog zu bleiben und Veränderungen anzustoßen, das hat er schon oft bewiesen. Diese Möglichkeit wollen wir nicht unversucht lassen», sagte Bierhoff dem Magazin «Stern» und forderte: «Die verbleibenden elf Monate bis zum Eröffnungsspiel sollten nun von allen Beteiligten wirkungsvoll genutzt werden.»