Nach 95 kräfteraubenden Minuten ging Alexandra Popp erschöpft kurz in die Knie, wenige Minuten später stemmte die Wolfsburger Kapitänin gemeinsam mit Svenja Huth schwungvoll den elf Kilo schweren DFB-Pokal in die Höhe.
«Ich habe eine ganz extreme Bindung zu diesem Pokal», sagte Popp nach ihrem zwölften Triumph im DFB-Pokal mit stark angeschlagener Stimme: «Das ist mein Baby – aber mitnehmen darf ich es nicht.»
Doch nicht nur die Torjägerin der Nationalmannschaft hatte Grund zum Jubeln. Alle VfL-Fußballerinnen feierten das 4:1 (1:1) im Finale am Donnerstag gegen den SC Freiburg und den zehnten Pokalsieg des Clubs insgesamt. «Rekord-Siegerinnen» stand auf ihren T-Shirts, Wolfsburg übertrumpfte den 1. FFC Frankfurt. Der größte Gewinner war aber der Frauenfußball selbst: Die Rekordkulisse von 44 808 Zuschauern in Köln und die Atmosphäre waren beeindruckend. «Wow! Ich bin sehr glücklich», sagte Popp: «Erst jetzt sieht man, was wir mit der EM angerichtet haben. Es war eine wahnsinnige Stimmung hier im Stadion. Das macht den Fußball aus, dass so viele Fans uns unterstützten, Freiburg unterstützen und den Frauenfußball unterstützen.»
Bei Klängen von «Sweet Caroline», dem Hit der EM 2022 in England, tanzten die Wolfsburgerinnen auf dem Rasen. Der Favorit krönte sich mit dem insgesamt zehnten Erfolg zum alleinigen Rekordsieger. Nach der praktisch verspielten Meisterschaft holte der VfL damit den ersten Titel in dieser Saison. Im Finale der Champions League am 3. Juni in Eindhoven gegen den FC Barcelona können sie noch einen draufsetzen – aber das wird in dieser Form schwer.
SCF trotz Niederlage: «So schnell nicht vergessen»
Vier Tage nach dem überraschenden 0:4 in der Bundesliga bei Eintracht Frankfurt ließen die VfL-Frauen von Trainer Tommy Stroot zunächst keine Zweifel, dass sie den neunten Cupsieg in Serie holen wollen. Nach einer Hereingabe von Lynn Wilms bugsierte Lisa Karl den Ball zum 0:1 ins eigene Tor (4. Minute), auch wenn zunächst Popp als Torschützin angegeben wurde. Nach dem denkbar unglücklichen Auftakt für Freiburg glich Jung-Nationalspielerin Janina Minge im ausverkauften Rhein-Energie-Stadion verdientermaßen aus (42.). Rebecka Blomqvist (57.), Popp (84.) und Dominique Janssen per Handelfmeter (89.) trafen in der zweiten Halbzeit gegen Freiburgs starke Torhüterin Gabrielle Lambert.
«Natürlich sind wir wahnsinnig enttäuscht. Wir hatten die Chance, den ersten Titel für uns zu holen. Das ist uns nicht gelungen, aber wir müssen es jetzt einfach hier genießen, die mega Stimmung», sagte die Freiburgerin Minge: «Das werden wir so schnell nicht vergessen.»
Dem vierten Wolfsburger Treffer war der erste VAR-Einsatz in einem Pokalfinale der Frauen überhaupt vorausgegangen. Hauptschiedsrichterin Fabienne Michel entschied nach einem Hinweis der Video-Assistentin und dem Blick auf die Videobilder auf Handspiel und Strafstoß. Der VAR habe ihr ein «unglaubliches Sicherheitsgefühl gegeben», sagte Michel hinterher. Auch sie schwärmte von der Stimmung: «Mein Herz hat gepocht und wir hatten alle Gänsehaut.»
Kölner Rekordkulisse
Der bisherige Rekordbesuch von 26.282 Fans bei der Premiere 2010 in Köln zwischen FCR Duisburg und USC Jena wurde deutlich gesteigert. Ungewöhnlich für ein Frauenspiel, dass der Stadionsprecher vor dem Anpfiff die lautstarken Freiburg-Fans erst einmal ermahnen musste, keine Pyrotechnik abzubrennen. «Fantastisch! Wir freuen uns alle, genießen es alle, es ist eine super Stimmung. Gerade der Freiburger Block macht richtig Alarm», sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg zur Halbzeit im Sky-Interview und lobte die Freiburgerinnen: «Am Anfang waren sie sehr nervös, jetzt sind sie im Spiel. Jetzt ist es offen.»
Freiburger Selbstvertrauen bleibt unbelohnt
Auch ohne die verletzten DFB-Auswahlspielerinnen Lena Lattwein und Marina Hegering und mit Torjägerin Ewa Pajor zunächst nur auf der Bank dominierte der VfL anfangs die Begegnung. Die SC-Spielerinnen, die im Finale 2019 gegen Wolfsburg nur mit 0:1 verloren hatten, rannten von Beginn an viel hinterher. Das Team von Trainerin Theresa Merk musste immer öfter Torchancen des routinierten Gegners zu lassen, meldete sich aber kurz vor der Pause zurück: Erst rettete Nationaltorhüterin Merle Frohms gegen Lisa Karl, dann köpfte Minge zum Ausgleich ein.
Mit viel Selbstvertrauen ging Freiburg in den zweiten Durchgang, zeigte sich aber beim nächsten Gegentor zu unsortiert gegen einen nur streckenweise überzeugenden VfL, der in der Schlussphase aber einen Gang höher schaltete.