Die Sorge vor einem Geistergipfel scheint größer als die Vorfreude auf ein großes Fußball-Fest: Am Wochenende, an dem Borussia Dortmund die Meisterschaft wieder spannend gemacht hatte, sprach beim BVB jedenfalls fast niemand über den FC Bayern München.
Statt Kampfansagen an den Dauer-Rivalen gab es aus Dortmund nur beschwörende Worte an die Politik. Denn nicht der nur noch einen Punkt entfernte Serienmeister ist derzeit der größte Gegner, sondern ganz klar die Corona-Pandemie. Die Bedrohung, im nun eigentlich noch heißeren Liga-Hit am 4. Dezember vor leeren Rängen spielen zu müssen, war greifbar und dämpfte die Freude über das ergebnistechnisch perfekte Wochenende.
Und während die Fans noch sangen, man solle den Bayern gefälligst mal wieder die Lederhosen ausziehen, stieß Marco Rose ein echtes Stoßgebet zum Himmel. «Sehr, natürlich», antwortete der Trainer auf die Frage, wie sehr er auf ein volles Stadion beim absoluten Top-Spiel hoffe. Und richtete die gefalteten Hände an die Decke.
Als Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Tag nach dem hart erkämpften 2:1 gegen den VfB Stuttgart bei der Mitgliederversammlung vor das Mikrofon trat, warteten die Anwesenden dann auch vergeblich auf markige Worte in Richtung Süden. Ganz bewusst, denn zum Ende des Berichts erklärte der BVB-Boss augenzwinkernd. «Alle anderen 35 Clubs können aufatmen: Ich habe kein Wort über irgendwen verloren.»
Rose-Elf nutzt Bayerns Steilvorlage
Obwohl sein Club vor da noch 57.900 Zuschauern die Steilvorlage des überraschenden 1:2 der Bayern in Augsburg genutzt hatte, war bei Watzke noch keine Vorfreude zu spüren. «Ergebnistechnisch voll im Plan» sei man, sagte der BVB-Boss sachlich. Doch die Sorge vor der sportlich frustrierenden und wirtschaftlich peinigenden Rückkehr von Geisterspielen sitzt ihm merklich in den Knochen.
Und so richtete Watzke den klaren Appell an die Landesregierung, keine Geisterspiele in Nordrhein-Westfalen mehr anzuordnen. «Fußball ist eine Freiluftveranstaltung, das muss man bedenken», mahnte Watzke: «Und ich bin schon der Meinung, dass wir uns nicht in Kollektivhaftung mit anderen Regionen nehmen lassen dürfen, die sich weniger haben impfen lassen und deshalb ganz andere Zahlen haben. Da haben wir in Nordrhein-Westfalen unsere Hausaufgaben relativ gut gemacht.» Zudem habe er vom Gesundheitsamt gehört, «dass es noch überhaupt keine Auffälligkeiten gab, die mit einem Spiel von Borussia Dortmund zu tun hätten».
Corona-Lage bereitet Sorge
Die bedrohliche Lage ist den BVB-Machern freilich bewusst. Aus Sorge vor Ansteckungen war deshalb ausnahmsweise auch nicht die Mannschaft bei der Mitgliederversammlung anwesend. Insgesamt sei es auch «nicht die Zeit, große Kampfansagen zu machen und große Entwürfe an die Wand zu werfen», sagte Watzke, bezog sich dabei aber auf die Finanzen: «Corona wird uns am Ende auch nicht umschmeißen, aber es fügt schon die eine oder andere Wunde zu.»
Sportlich war Rose nach dem späten Sieg gegen Stuttgart durch das Tor von Marco Reus (85.) gnädig mit der Beurteilung der Leistung. Obwohl er «in Teilbereichen weit weg von zufrieden» war, lobte er «viel Wille und viel Wucht», sprach von «einer Menge Vertrauen, Energie und Rückenwind» und bilanzierte: «So kann man die Wochen vor Weihnachten beginnen.» In welchem Rahmen dann Fußball gespielt wird, weiß derzeit noch niemand. «Ich wünsche mir, dass wir Lösungen finden und erarbeiten, damit wir weiter gemeinsam Fußball erleben können», sagte Rose: «Aber die Pandemie ist noch da, das merken wir alle.»