Wer wird Nachfolger von Hansi Flick? Die Zeit drängt neun Monate vor der Heim-Europameisterschaft. 19 Jahre nach seinem Rücktritt wachte zunächst mal Rudi Völler am Montagmorgen wieder als Teamchef der Fußball-Nationalmannschaft auf.
Wie im Jahr 2000 springt der 63-Jährige in höchster DFB-Not ein – dieses Mal, weil es mit Flick als Bundestrainer nach dem 1:4 gegen Japan nicht mehr weitergehen konnte. Und dieses Mal soll nach einem Völler-Spiel Schluss sein. Wer könnte nach dem Kräftemessen gegen Vize-Weltmeister Frankreich an diesem Dienstag (21.00 Uhr/ARD) in Dortmund übernehmen?
Jürgen Klopp
Auch für viele Fans ist er die beste Lösung – doch vermutlich auch die unwahrscheinlichste. Klopp wäre es zuzutrauen, mit seiner positiven Art die dringend benötigte Euphorie für die Heim-EM zu erzeugen. Aber er steht beim englischen Spitzenclub FC Liverpool unter Vertrag. Es ist nahezu auszuschließen, dass der 56-Jährige für das Bundestrainer-Amt kurz nach Saisonstart bei den Reds aufhört. Zumal er schon nach dem WM-Debakel ablehnte. «Jürgen hat beim FC Liverpool einen Vertrag bis 2026 – und er hat vor, diesen zu erfüllen», hatte sein Berater Marc Kosicke im vergangenen Dezember gesagt.
Julian Nagelsmann
Die Qualitäten für das höchste Traineramt im deutschen Fußball werden dem 36-Jährigen zugesprochen. Aber hat er auch die Motivation dafür? Nach seinem wenig ruhmreichen Abgang beim FC Bayern München hat sein Image als Ausnahmetrainer gelitten. Ein nächstes missglücktes Engagement beim völlig verunsicherten DFB-Team würde Nagelsmann in der Karriere nochmals zurückwerfen. Sein Alter könnte intern zumindest kontrovers diskutiert werden. Sein Vertrag bei den Bayern gilt noch bis 2026. Die Münchner könnten aber an einer Lösung interessiert sein. Der Rekordmeister hatte einst auch Flick zum DFB ziehen lassen. Wegen der großen Bayern-Fraktion in der DFB-Auswahl hätte Nagelsmanns Verpflichtung stärkere Auswirkungen auf das Binnenklima als bei anderen.
Matthias Sammer
Zuletzt hatte der Europameister von 1996 und frühere DFB-Sportdirektor die Entwicklungen im deutschen Fußball scharf kritisiert. Ob er die Herausforderung als Bundestrainer annehmen würde, um zumindest den Zustand der Nationalmannschaft aktiv zu verbessern, ist sehr fraglich. Zuletzt war Sammer vor vielen Jahren als Trainer tätig. Bei den Bayern hörte er 2016 wegen gesundheitlicher Probleme als Sportvorstand auf. Den Bundestrainer-Job bis zur Heim-EM hatte er kürzlich im Interview der «Süddeutschen Zeitung» ausgeschlossen. «Ich habe vor einiger Zeit für mich die Entscheidung getroffen, dass ich operativ nicht mehr tätig sein möchte. Dabei soll es auch bleiben.»
Stefan Kuntz
Nach dem jüngsten 1:1 gegen Armenien muss Kuntz stark um seinen Job als Nationaltrainer der Türkei bangen. Das könnte für den DFB hilfreich sein. Kuntz kennt als früherer Erfolgstrainer der U21 den Verband. Intern wird er aufgrund seines angenehmen und konstruktiven Kommunikations-Stils geschätzt. Der Europameister von 1996 würde sich aber kaum nur als Übergangslösung bis zur Heim-EM sehen.
Oliver Glasner
Ist die Zeit reif für den ersten Ausländer auf dem Bundestrainer-Posten? Auch der Name Oliver Glasner fällt bei den Spekulationen um eine mögliche Flick-Nachfolge, weil der Österreicher vereinslos ist und den deutschen Fußball aus seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt und beim VfL Wolfsburg sehr gut kennt. Mit dem Gewinn der Europa League vor einem Jahr hatte Glasner zudem bewiesen, dass er auch große Titel gewinnen kann.
Ralf Rangnick
Der frühere Bundesliga-Trainer und -Erneuerer wäre schon einmal gerne Bundestrainer geworden. Der 65-Jährige ist aktuell Nationaltrainer der Österreicher und mit dem Nachbarland auch erfolgreich auf EM-Kurs. Und das will er auch bleiben. Dem ORF sagte er am Montag in Windischgarsten auf die Frage, ob er für eine Anfrage des DFB bereitstehen würde: «Nein.» Er habe mich vor 14 Monaten dazu entschieden, in Österreich als Teamchef zu arbeiten. «Alles andere ist für mich kein Thema.» Klar wäre zudem gewesen, dass Rangnick auch sehr kritisch auf die DFB-Strukturen geschaut hatte.
Im Blickfeld
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus (62) hat bereits gesagt, der Bundestrainer-Job passe nicht in seine Lebensplanung. «Ich habe ein Privat- und Berufsleben und fühle mich da pudelwohl», sagte er am Montag im deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Roger Schmidt (56) ist zuletzt mit Benfica Lissabon portugiesischer Meister geworden, hat in Portugal aber noch einen Vertrag bis 2026. Der Niederländer Louis van Gaal kokettierte in der «Bild»-Zeitung mit dem Satz: «Normalerweise trainiere ich nicht mehr bei einem Verein, aber ein vielversprechendes Land hat immer noch eine Chance, mich zu überzeugen!» Der 72-Jährige hat (auch beim FC Bayern) etliche Erfolge vorzuweisen, er trainierte Hollands Nationalelf. Aber steht er für die Zukunft? Wie Glasner wäre dessen Landsmann Ralph Hasenhüttl (56) der erste Ausländer.
Rudi Völler
Was, wenn gegen Frankreich plötzlich alles besser funktioniert? Völler sitzt gemeinsam mit Sportdirektor-Kollege Hannes Wolf (42) und Ex-Nationalspieler Sandro Wagner (35) auf der Bank. Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheider im DFB dann sagen: Das hat doch was! Völler blockte bereits vorsorglich: «Für mich ist das eine einmalige Sache.» Aber: Vor 23 Jahren wollte Völler auch nur Übergangslösung sein und blieb dann vier Jahre. Bereits Mitte Oktober reist die Nationalmannschaft in die USA.