Erst belächelt und beschimpft, jetzt bestaunt und belohnt: Nach reichlich Lob als Transfer-König dieses Fußball-Sommers hat Hasan Salihamidzic von seinem Arbeitgeber die längst erwartete Wertschätzung in Form eines neuen, gut dotierten Vertrages erhalten.
Der Aufsichtsrat des FC Bayern München um Vereinspräsident Herbert Hainer und Uli Hoeneß, der als Förderer «in guten wie in schlechten Zeiten» stets uneingeschränkt zu seinem Ziehsohn stand, verlängerte mit dem 45 Jahre alten Sportvorstand vor dem DFB-Pokal-Einstieg der Münchner am Mittwoch (20.46 Uhr/ARD/Sky) beim Drittligisten Viktoria Köln vorzeitig den Vertrag um drei Jahre bis zum 30. Juni 2026.
Trainer Julian Nagelsmann begrüßte die weitere enge Zusammenarbeit mit dem Sportchef in den kommenden Jahren – «aus persönlicher Sicht, weil ich gut mit ihm zusammenarbeite, aber aus Clubsicht auch».
«Steht für das FC-Bayern-Gen»
Vom «Bürschchen» aus Bosnien, wie der Spitzname «Brazzo» ins Deutsche übersetzt heißt, zum Boss: Es ist eine echte Verwandlungsgeschichte, die Salihamidzic seit seiner unverhofften Ernennung zum Sportdirektor vor fünf Jahren geschrieben hat. «Hasan Salihamidzic gibt für den FC Bayern 24 Stunden am Tag alles. Er steht für das FC-Bayern-Gen, für Kontinuität und für Titel», schwelgte Aufsichtsrats- und Club-Chef Hainer in der Vereinsmitteilung. Auch Salihamidzic wählte Pathos: «Ich habe es immer gesagt: Ich liebe den FC Bayern, München ist mein Zuhause.» Mia san mia – auf zu neuen Titeln und Millionen-Deals.
Es ist eine verblüffende Entwicklung, die der Ex-Profi gerade in den vergangenen Monaten hingelegt hat. Sie ähnelt seiner Profi-Laufbahn: Als 21-Jähriger wechselte Salihamidzic 1998 vom Hamburger SV zum großen FC Bayern. Schon damals wurde er erstmal belächelt.
Aber der Bürgerkriegs-Flüchtling biss sich im Münchner Starensemble als Namenloser durch. Er trug neun Jahre das Bayern-Trikot und gewann an der Seite des heutigen Vorstandschefs Oliver Kahn 2001 die Champions League. Es war sein Karriere-Gipfel.
Oft unterschätzt
Der größte Fehler scheint zu sein, Salihamidzic zu unterschätzen. Er ist fleißig, zielstrebig, lernfähig – und er kann einstecken. Seine Startphase als Bayerns Sportdirektor war von Hohn und Spott geprägt. Später kamen üble Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken dazu. Einige Bayern-Fans pfiffen ihn noch vor wenigen Monaten auf der Meisterfeier aus. Salihamidzic war der Buhmann bei der Flucht von Titelsammler Hansi Flick ins Bundestraineramt. Der ablösefreie Verlust von David Alaba 2021 wurde auch ihm sehr angelastet.
Salihamidzic wurde in seiner Anfangszeit zwischen den damaligen Bayern-Alphatieren Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge förmlich zerrieben. Er war die Kompromisslösung des Duos, das sich nicht auf einen Sportchef festlegen konnte: Rummenigge wollte Ex-Kapitän Philipp Lahm, Hoeneß hätte Max Eberl aus Mönchengladbach holen wollen.
Erfolgreicher Transfer-Sommer
Salihamidzic trat lange unglücklich in der Öffentlichkeit auf. Doch intensive Medienschulungen und Lehren im harten Profi-Business haben ihn rasch gestählt. Und in diesem Transfersommer lieferte er dann, insbesondere mit den Topstars Sadio Mané und Matthijs de Ligt. Der Mané-Coup war sein Befreiungsschlag, quasi sein Image-Wechsler.
Gleichzeitig stimmt die Verkaufsbilanz: Neben Weltfußballer Robert Lewandowski wurden etliche Bankdrücker und Talente wie nun noch Stürmer Joshua Zirkzee zum FC Bologna für viel Geld abgegeben.
Rund 140 Millionen hat Einkäufer Salihamidzic ausgegeben, aber eben auch über 100 Millionen erlöst. Der Sportvorstand behalte «immer die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Auge», lobte Hainer. «Hasan kriegt eine Eins für die Transfers – und das Sternchen für die Verkäufe», sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus zuletzt.
Neulinge gefordert
Wie gut «Brazzos» Einkäufe sind, soll bei der Pokal-Pflichtübung in Köln zu sehen ein: Nagelsmann kündigte an, dass gegen die Viktoria die Neuzugänge Mathys Tel, Ryan Gravenberch und Noussair Mazraoui ihr Startelf-Debüt im Bayern-Trikot feiern dürfen.
Zum neuen Profil eines gereiften Hasan S. gehört, dass er neuerdings bei den Spielen oben auf der Tribüne neben Vorstandsboss Kahn sitzt und nicht mehr unten auf der Bank neben Coach Nagelsmann. Im Gespräch mit Reportern tritt er inzwischen selbstsicher auf, zeigt klarer Kante. Kahn (53) und Salihamidzic haben ihre Claims abgesteckt. Kahn reklamiert für sich das große Ganze: «Ich bin dazu da, den Überblick zu bewahren.» Salihamidzic verantwortet das Tagesgeschäft. Er ist der Umsetzer im Alltag, nah an den Profis, nah am Trainer.
Der Vorgesetzte Salihamidzic nimmt Nagelsmann (35) in die Pflicht, den Kaderumbau in erfolgreichen Fußball umzumünzen. Der Verein habe einen Kader zusammengestellt, «wie es den Vorstellungen des Trainers entspricht». Nun gehe es um «die Titelausbeute». Salihamidzic ist schon vorab belohnt worden – mit seinem neuen Vertrag bis 2026.