Vor unangenehmen Wahrheiten schreckt Horst Hrubesch nicht zurück. «Wir müssen es einfach besser spielen», sagte der Interims-Bundestrainer, als er um eine Analyse des schmucklosen 2:0-Sieges auf Island gebeten wurde.
«Viel ruhiger, viel klarer» nämlich, ergänzte er mit Blick auf die ausgelassenen Chancen: «Teilweise kam der letzte Pass nicht, teilweise haben wir auch schlechte Bälle gespielt.»
Wie schon beim 5:1 gegen Wales wirkte die deutsche Elf wie ein Motor, der zwischendurch mit dem falschen Treibstoff befüllt wurde. Dennoch ist der Hrubesch-Effekt keineswegs verpufft, die Richtung stimmt, Spaß und gute Laune sind zurück bei den Fußball-Nationalspielerinnen.
Gewachsene Zuversicht
Vor dem entscheidenden Nations-League-Spiel gegen Dänemark ist die Zuversicht gewachsen. «Zu Hause können wir da schon ein Feuerwerk abfackeln», sagte Flügelspielerin Klara Bühl am Dienstagabend bei sportstudio.de mit Blick auf das für die Olympia-Qualifikation so wichtige Duell am 1. Dezember in Rostock. Nur bei einem 2:0 oder einem Erfolg mit drei Toren Differenz gegen die Däninnen hätte das Team von Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch den für den weiteren Weg Richtung Olympia notwendigen Gruppensieg im abschließenden Spiel in Wales (5. Dezember) selbst in der Hand.
Einzig der Gruppenerste erreicht die Nations-League-Finalrunde der besten vier Teams im kommenden Frühjahr. Dort werden die beiden europäischen Tickets für Olympia 2024 in Paris vergeben. Das deutsche Team liegt drei Punkte hinter den Däninnen, die bislang alle vier Spiele siegreich gestalteten – inklusive des Hinspiels gegen die DFB-Auswahl (2:0).
Trotz des gegen Island weitgehend mauen Vortrags zeigte sich Lea Schüller «sehr zuversichtlich», dass die Vize-Europameisterinnen noch an den Skandinavierinnen vorbeiziehen können. Man könne Dänemark und Wales schlagen, «wenn wir weiter an uns arbeiten», meinte die 25 Jahre alte Stürmerin des FC Bayern.
Zwischen hochtourig und stotternd
Noch variiert das Spiel der deutschen Fußballerinnen zwischen hochtourig und stotternd, daran hat in der Kürze der Zeit auch Hrubesch wenig ändern können. Die Pflicht aber hat der 72-Jährige zunächst erfüllt. Neben der Maximalausbeute von sechs Punkten räumte er vor allem das unglückselige Thema um Martina Voss-Tecklenburg (55) routiniert ab. Die pausierende Bundestrainerin hatte während ihres Erholungsurlaubs öffentlich Vorträge gehalten, statt die Analyse des WM-Debakels voranzutreiben. Das hatte bei den Spielerinnen für Irritationen gesorgt und Unruhe ausgelöst.
Hrubesch war’s egal, kein Thema sei die in der Verbandsspitze doch so heiß diskutierte Causa. Ähnlich lässig wischte er den Umstand beiseite, dass in Kapitänin Alexandra Popp die beste Fußballerin im Team für die Spiele gegen Wales und auf Island ausgefallen war. Schüller, zu der Hrubesch einen besonders guten Draht hat, traf gegen Wales prompt doppelt.
Eine kopfballstarke Doppelspitze Popp/Schüller – unter Voss-Tecklenburg selten praktiziert – stößt beim einstigen Kopfballungeheuer Hrubesch durchaus auf Gegenliebe. Und könnte vielleicht auch ein Manko beheben, das in beiden Spielen auffiel: die mangelnde Chancenverwertung.
«Es geht einfach darum, dass man es wollen muss. Du musst es wollen, du musst Tore machen wollen», forderte Hrubesch. «Wenn du diese Bälle hast, diese Möglichkeiten, dann musst du mit 100 Prozent da rein gehen. Da fehlen manchmal zwei, drei, vier, fünf Prozent. Und dann funktioniert’s halt einfach nicht.» Das fehlende Quäntchen zu finden, ist nun seine Aufgabe – bis zum Dänemark-Spiel will sie der neue und alte Heilsbringer des deutschen Frauenfußballs lösen.