Wäre Jule Brand so ein Talent bei den Männern – im Fußball-Zirkus würden einige durchdrehen. Nationalelf-Debüt mit 18, erstes Tor nach nur zwei Minuten Spielzeit. Vier Treffer und sechs Assists in zehn Länderspielen.
Fegt in der Champions League beim 4:1 gegen den FC Arsenal nur so durch die gegnerischen Abwehrreihen. Und lässt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg zu Sätzen hinreißen wie: «Jule weiß manchmal noch gar nicht, was sie alles kann. Die hat noch so viel in petto.» Jetzt hat sich der VfL Wolfsburg die begehrte 19 Jahre alte Flügelstürmerin von der TSG 1899 Hoffenheim für die neue Saison geschnappt.
Bevor Jule Brand beim EM-Vorbereitungsturnier Arnold Clark Cup in England, der für das deutsche Nationalteam am Donnerstag (15.30 MEZ/ARD-Livestream) gegen Spanien mit Weltfußballerin Alexia Putellas losgeht, im Fokus steht, machte im Frauenfußball diese Nachricht die Runde: Wolfsburg kauft Jule Brand aus ihrem bis zum 30. Juni 2023 laufenden Vertrag heraus, der nach VfL-Angaben eine Ausstiegsklausel beinhaltet. «Jule zählt nicht nur in Deutschland, sondern auch international zu den größten und somit auch gefragtesten Talenten», so Ralf Kellermann, Wolfsburgs Sportlicher Leiter.
Kindheitstraum «Fußball-Nationalspielerin»
Als Jule Brand am Ende ihrer Grundschulzeit gefragt wurde, was sie mal werden wolle, antwortete sie keck: «Fußball-Nationalspielerin.» 2021 rief erstmals die Bundestrainerin an. Jule Brand ging nicht gleich ran – weil sie gerade die Zahnbürste im Mund hatte und weil ihr Puls nach oben ging: «Ich habe richtig gezittert.»
Heute bewegt sich die 1,77 große Angreiferin lässig durchs Trainingszentrum im nordbadischen St. Leon-Rot. Auch Foto-Shootings sind nix Neues mehr für das Toptalent. Abiturientin Jule Brand ist jetzt Profi: «Im Moment habe ich nur Fußball.» Ihr Trainingspensum gleicht dem der Männer in der Bundesliga. Trotzdem wird sie im nächsten Wintersemester wahrscheinlich ein Studium anfangen.
Bis dahin sind Jule Brand und ihre DFB-Mitspielerinnen mächtig gefordert: Beim Arnold Clark Cup geht es am Sonntag gegen Olympiasieger Kanada weiter, am 23. Februar gegen England. Die Spiele gelten als wichtiger Fingerzeig für die EM im Juli – seit dem WM-Viertelfinal-Aus 2019 hatte das Nationalteam kein Turnier mehr.
Ziel mit der Nationalmannschaft: EM-Titel
«Im letzten Jahr ist schon sehr viel passiert. Da habe ich mir viele Träume erfüllt: das Debüt in der Nationalmannschaft, Champions League zu spielen», sagt Jule Brand. Natürlich will sie bei der EM dabei sein: «Wenn wir dort sind, haben wir auch das Ziel, Europameister zu werden.»
Spätestens dann werden noch mehr Augen auf die Angreiferin mit dem starken linken Fuß gerichtet sein. «Ich hoffe, dass Jule sich ihre Unbekümmertheit bewahren kann. Sie ist sehr wissbegierig und nie zufrieden, hat eine Bolzplatzmentalität», sagt Voss-Tecklenburg. Jule Brand gilt als Instinktfußballerin, hat Speed aus dem Stand, geht ungewöhnlich oft die richtigen Laufwege. Taktiktraining sei nicht so ihr Ding, erklärt sie unverblümt. «Klar, das ist auch sehr wichtig. Aber einfach zocken – das ist geil im Fußball.»
Hoffenheim hat schon so einige Nationalspielerinnen hervorgebracht. Jetzt müssen Sportchef Ralf Zwanziger und Trainer Gabor Gallai das Juwel ihres Teams ziehen lassen. «Was wichtig ist: Sie ist noch blutjung, sie muss sich in ihrer Persönlichkeit noch entwickeln», sagt Gallai. «Man muss sie auch behutsam heranführen an dieses Geschäft Fußball, was ja auch sehr stressig sein kann, weil immer gefordert wird.»
Wechsel nach Wolfsburg
Jule Brand möchte «schon mal im Ausland spielen. Wann genau das sein wird, wird sich zeigen mit der Zeit. Aber klar, das interessiert mich schon sehr», sagte sie vergangene Woche im dpa-Gespräch. Jetzt ist es erstmal Niedersachsen geworden. «Letztlich hat mich das Gesamtpaket beim VfL Wolfsburg, der seit vielen Jahren sowohl in Deutschland als auch in Europa um Titel spielt, absolut überzeugt. Ich denke, dass dieser Wechsel der optimale Schritt für meine weitere Entwicklung ist», teilte sie nun via VfL mit.
Damit steht im Sommer auch endgültig ein anderes Projekt an: Noch wohnt Jule Brand bei ihren Eltern in Dudenhofen bei Speyer. Dort begann sie auch mit ihrem Bruder Felix, heute Drittliga-Profi beim FSV Zwickau, zu kicken. «Ich will auf jeden Fall nach der Saison eine eigene Wohnung», sagte sie schon vor ihrem bekannt gegebenen Wechsel.