Er möchte jetzt etwas zurückgeben. Was genau, das sagt Neymar nicht. Aber für den Kern seiner Botschaft spielt das auch keine Rolle: Der Fußball-Superstar wird in der Stichwahl um Brasiliens Präsidentenamt am Sonntag für den Rechtspopulisten Jair Bolsonaro stimmen.
Also nicht für Bolsonaros Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva, mit dem viele Brasilianer die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verbinden. Sondern für den Amtsinhaber, der sich nicht erst einmal abfällig über Schwarze, Schwule, Frauen oder Indigene geäußert hat. Für den Mann, der für seinen Umgang mit der Corona-Pandemie mit 680.000 Toten in Brasilien scharf kritisiert wird.
Neymar erklärt Unterstützung für Bolsonaro
Wie könne Neymar so jemanden wählen, empören sich die einen. Wie toll, dass sich die Nummer 10 der Seleção öffentlich für ihn ausspreche, finden die anderen. Denn ganz so einfach ist die Sache nicht. Die Brasilianer sind angesichts der bevorstehenden Wahl so gespalten wie vielleicht nie zuvor in ihrer Geschichte. «Brasilien, Hass und Hoffnung», betitelte der Politikwissenschaftler João Nunes seinen jüngsten Artikel in der portugiesischen Tageszeitung «Público». Und Neymar ist jetzt mittendrin. Ausgerechnet Neymar. Der mit dem größten Talent seiner Generation gesegnete Fußballer, der die Brasilianer spaltet – anders als die Granden Pelé, Ronaldo und Ronaldinho vor ihm.
Mit einem gewaltigen Headset auf seinem Kopf sitzt der 30-Jährige am Samstag vor seinem Computer. Er ist bekannt als Zocker, nicht nur auf dem Platz, auch vor dem heimischen PC. Jetzt aber war der Stürmer von Paris Saint-Germain seinem Präsidenten zugeschaltet. In einer gemeinsamen Online-Sendung mit Bolsonaro erklärt er seine Unterstützung für den rechten Staatschef. «Ich möchte mich beim Präsidenten bedanken. Im schwersten Moment meines Lebens war der Präsident der Erste, der sich öffentlich hinter mich gestellt hat», sagt Neymar. Was genau er meint, sagt er nicht. Aber er wolle das nun zurückgeben.
Im Jahr 2019 war Neymar von einem Model der Vergewaltigung beschuldigt worden. Der 67-jährige Bolsonaro hatte sich damals von Neymars Unschuld überzeugt gezeigt. Später wurde das Ermittlungsverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt. Bolsonaros Rivale Lula vermutet dagegen andere Motive. «Ich glaube, er hat Angst, dass ich im Falle eines Wahlsiegs herausfinde, was Bolsonaro ihm an Einkommenssteuerschulden erlassen hat», sagte der linke Ex-Präsident (2003-2010). Beweise legte er nicht vor. Neymars Vater wies die Vorwürfe via Instagram als falsch zurück.
Brasilien ist vor der Wahl zerrissen
Was auch immer nun stimmt: Brasilien ist vor der richtungsweisenden Wahl zerrissen, und kaum jemand verkörpert diese Zerrissenheit besser als Neymar. Die einen lieben ihn für die unglaublichen Dinge, die er mit dem Ball anstellen kann. Andere, auch viele seiner Landsleute, verachten ihn für Schauspielerei und Schwalben. Es passt zum Wahlkampf. Die einen sehen Bolsonaro als Bollwerk gegen linke Ideologien und Verteidiger persönlicher Freiheiten. Andere verachten ihn für die von ihm mit Hass und Hetze befeuerte Spaltung seines Landes. Lula wiederum wird von Vielen als Hoffnungsträger gesehen, andererseits ist sein Name eng verknüpft mit weitreichenden Korruptionsskandalen.
Beide Kandidaten kämpfen in den letzten Tagen vor der Stichwahl um jede Stimme. In der ersten Wahlrunde Anfang Oktober hatte Bolsonaro entgegen den Umfragen erstaunlich stark abgeschnitten. Das Rennen ist nun völlig offen. Neymar hat sich trotzdem schon für einen Wahlsieg des Amtsinhabers vorbereitet. Sollte Bolsonaro gewinnen, sagte er, dann werde er ihm sein erstes Tor bei der bevorstehenden Weltmeisterschaft in Katar widmen. Er findet: «Das wäre wirklich wunderbar: Bolsonaro wiedergewählt, Brasilien Champion und alle glücklich.»