Der Deutsche Fußball-Bund darf gegen Vereine auch künftig teils hohe Geldbußen verhängen, wenn deren Anhänger oder Zuschauer Spiele stören. Rechtlich seien die Strafen als reine Präventivmaßnahmen zu bewerten und damit zulässig, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.
Der unterlegene Kläger FC Carl Zeiss Jena und Fan-Vertreter reagierten mit Kritik, der DFB sieht sich durch das Urteil «uneingeschränkt in seiner Auffassung bestätigt». Es geht alle Clubs an, die immer wieder Geldstrafen vom DFB-Sportgericht erhalten. (Az. I ZB 54/20)
Nach Auffassung des BGH verletzt die Praxis des DFB nicht das Schuldprinzip, einen elementaren Grundsatz der Rechtsordnung. Die «Strafen» dienten nicht dazu, Fehlverhalten der Vereine zu ahnden.
«Wir müssen uns jetzt das Urteil ansehen und entscheiden, ob es wert ist, da noch mal das Bundesverfassungsgericht anzufragen», sagte Chris Förster, der Geschäftsführer des Regionalligisten Jena. «Unsere Argumentation war ja, dass wir für etwas bestraft werden, wofür wir nichts können. Und jetzt hat der BGH erklärt, dass es keine Strafe ist, sondern präventiven Charakter hat.»
Vereine sind für Fan-Verhalten haftbar
Die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB sieht vor, dass die Vereine für das Verhalten ihrer Anhänger und Zuschauer verantwortlich sind.
Sie haften «im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art». Das bedeutet, dass sie zum Beispiel wegen Bengalos und anderer Pyrotechnik im Fanblock zur Kasse gebeten werden. Je nach Schwere des Vorfalls und Finanzkraft des Vereins kann es um bis zu sechsstellige Summen gehen, das Geld fließt an Stiftungen und Projekte. Die Idee dahinter: Die Fans sollen sich zusammenreißen, um ihrem Verein nicht zu schaden.
Der FC Carl Zeiss Jena, der damals noch in der dritten Liga spielte, sollte für Störungen von zwei Heimspielen und einer Auswärtspartie 2018 insgesamt knapp 25.000 Euro zahlen. Der Verein empfindet das als ungerecht: Man treffe alle notwendigen Vorkehrungen.
Die obersten Zivilrichterinnen und -richter des BGH ließen sich davon aber nicht überzeugen. Der Grundsatz, dass jede Strafe oder strafähnliche Sanktion Verschulden voraussetze, habe sogar Verfassungsrang, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Anders, als es der Name vermuten lasse, handele es sich bei den Geldstrafen gegen die Vereine aber rein rechtlich gar nicht um Strafen.
Koch erläuterte, dass die Vereine durch die Geldstrafen dazu angehalten werden sollten, einen ordnungsgemäßen Spielbetrieb zu gewährleisten und auf ihre Anhänger einzuwirken. Damit seien die Strafen eigentlich eine Präventivmaßnahme.
DFB-Interimspräsident Rainer Koch erklärte: «Der BGH hat heute die seit Jahren geführten rechtlichen Auseinandersetzungen gegen die nationale und internationale Sportrechtsprechung zur Haftung von Vereinen für Fehlverhalten ihrer Anhänger beendet.» Damit sei «abschließend und zweifelsfrei sichergestellt», dass die DFB-Rechtsorgane ihre Arbeit uneingeschränkt fortsetzen und die Unterstützung und Mitwirkung der Vereine zur Sicherung eines störungsfreien Spielbetriebs einfordern könnten.
Verband für Fanhilfen und Jena mit Kritik
Der Dachverband für Fanhilfen bezeichnete das Urteil als «fatales Signal» für die Fan-Rechte. «Die vom DFB-Sportgericht verhängten Kollektivstrafen gegen Fans und Vereine widersprechen zutiefst dem Grundsatz der demokratischen Rechtsprechung», sagte Danny Graupner vom Verein der Fanhilfen. Dies sei eine «Sippenhaft, wie wir sie nur aus dem Mittelalter kennen» und zeige eindeutig, dass «das Verteilen von Kollektivstrafen mit der Gießkanne unverhältnismäßig ist».
Jenas Geschäftsführer Förster kritisierte: «Die Prävention, die damit einhergehen soll, hat sich über die Jahre eben auch nicht eingestellt. Insofern kann man diesen präventiven Charakter durchaus mal in Frage stellen: Der ist nicht von der Praxis gedeckt.» Sein Club mache alles, um solche Vorfälle zu verhindern.
Nach einem früheren Urteil aus Karlsruhe können sich die Vereine zwar von den Krawallmachern das Geld als Schadenersatz zurückholen. Dafür müssen diese aber erst einmal ausfindig gemacht werden.
Jena hatte sich vor den Zivilgerichten gegen einen Schiedsspruch des zuständigen Sportgerichts gewehrt. Der BGH-Senatsvorsitzende Koch sagte, so ein Schiedsspruch könne nur aufgehoben werden, wenn er gegen die öffentliche Ordnung verstoße. «Das ist eine sehr hohe Hürde.» Im Juni 2020 war der FCC auch schon vor dem Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) gescheitert.