Die Aufmunterungen der eigenen Anhänger hatte Union Berlins Trainer Urs Fischer gar nicht mehr mitbekommen.
Mit hängendem Kopf trottete der angeschlagene Coach nach der zehnten Pflichtspielniederlage in Serie in die Kabine, während die mitgereisten Fans des abgestürzten Champions-League-Teilnehmers den Namen des Schweizers riefen. «Natürlich ist das toll, wenn man eine solche Unterstützung in einer sehr schwierigen Situation erfahren darf», sagte Fischer später angesprochen auf die im Fußball-Geschäft nicht selbstverständlichen Bekundungen der Unterstützung.
Auch bei den Berliner Bossen genießt Fischer trotz der dramatischen Talfahrt nach wie vor Rückendeckung. «Da gibt es überhaupt kein Vertun. Er wird am Dienstag auf der Bank sitzen», sagte Unions Manager Oliver Ruhnert am Samstag nach dem 0:2 (0:1) im Krisenduell der Bundesliga bei Werder Bremen im ZDF-«Sportstudio». Beim VfB Stuttgart steht für die Berliner am Dienstag die zweite Runde im DFB-Pokal an. «Nach wie vor wollen wir diese Situation gemeinsam lösen. Es muss und wird weitergehen», sagte Fischer. «Ich werde mit bestem Beispiel vorangehen und die Mannschaft entsprechend auf das Spiel gegen Stuttgart vorbereiten.»
Auftritt in Bremen ein Rückschritt
Was danach passiert, bleibt abzuwarten. Eine weitere Niederlage – und es könnte tatsächlich eng werden für den langjährigen Erfolgscoach. Ein Szenario, das vor Saisonbeginn niemand an der Alten Försterei für möglich gehalten hätte. Fünf Jahre lang ist Fischer (57) nun schon bei Union tätig, fünf Jahre lang ging es für die Köpenicker nur bergauf – mit der Qualifikation für die Champions League in der vergangenen Saison als vorläufigem Höhepunkt.
Doch in dieser Spielzeit läuft für die Berliner auf einmal gar nichts mehr. Die Partie gegen nach drei Niederlagen ebenfalls heftig angeschlagene Bremer offenbarte viele Symptome einer Abstiegssaison. Rückstand durch ein Eigentor von Robin Knoche, Rote Karte für Rani Khedira – ausgerechnet die beiden Profis, die zuvor lange schmerzlich vermisst wurden, hatten maßgeblichen Anteil an der Niederlage. «Maximal unglücklich», kommentierte Knoche seinen Kopfball ins eigene Tor. «Das ist ein Scheiß-Gefühl.» Auch Khedira war geknickt. «Damit habe ich der Mannschaft einen Bärendienst erwiesen. Es tut mir leid für die Mannschaft», sagte Khedira.
Khedira: Vertrauen in Fischer ist da
Hatten die Berliner vier Tage zuvor beim 0:1 in der Champions League gegen SSC Neapel noch Anzeichen der Besserung gezeigt, war die Leistung an der Weser wieder ein Rückschritt. «Der Auftritt war so, dass man sich auf jeden Fall Sorgen machen darf», sagte Ruhnert. «Es sind im Moment zu viele Dinge, wo man sich schon damit auseinandersetzen muss, ob die elf Spieler, die die ersten Elf sind, auch die ersten Elf sind, die in den nächsten Spielen auflaufen können», nahm der Manager die Mannschaft in die Pflicht. «Man muss klar sagen: Wir haben zum ersten Mal in all den Jahren wirklich eine Situation, dass es tatsächlich um den Klassenerhalt geht.»
Ob das alle in der Mannschaft verstanden haben, ist zumindest zweifelhaft. In Bremen ergaben sich die Unioner relativ wehrlos in die nächste Niederlage. Eine wirkliche Torchance erspielten sich die Gäste in der kompletten Spielzeit nicht. Die Diskussionen um den angeblich unzufriedenen Leonardo Bonucci und die einwöchige Suspendierung von David Fofana waren nicht spurlos am Team vorbeigegangen. Das Vertrauen in den Trainer ist dennoch noch da. «Zu 100 Prozent, natürlich», antwortete Khedira bei Sky auf die Frage, ob Fischer noch der richtige Mann sei.