Kevin Behrens riss sich sein Trikot vom Leib und sorgte für Feierlaune bei den Union-Fans im Gäste-Block. Die Revanche nach dem bitteren Pokal-K.o. war für die Berliner mehr als nur der erste Sieg beim ungeliebten Rivalen RB Leipzig.
«Es ist für uns ein bisschen Balsam für die Seele», sagte Sven Michel. Erst erzielte der Stürmer mit seinem Tor in der 86. Minute nur 21 Sekunden nach der Einwechslung den Ausgleich, dann legte er per Hacke für den ebenfalls eingewechselten Behrens (89.) den Siegtreffer auf. Mit dem 2:1 (0:0)-Sieg knackten die Eisernen die 50-Punkte-Marke und sind plötzlich für die enttäuschenden Leipziger auch Kontrahent im Kampf um Platz vier und die Champions League.
«Logisch, die sind in der Lage jeden Gegner zu schlagen. Wenn sie in Leipzig gewinnen, können sie gegen jeden Gegner gewinnen», sagte RB-Trainer Domenico Tedesco nach der ersten Heimniederlage seit dem 18. Dezember 2021 gegen Bielefeld (0:2).
Fischer: «Eine Wahnsinnsmoral»
In nur drei Minuten hatten die Unioner das Spiel gedreht. «Wir gehen in Führung, wie Urs sagt, aus dem Nichts. Dann müssen wir das 2:0 machen. Wenn du in der 86. Minute 1:0 führst, dann darfst du auf jeden Fall nicht mehr verlieren», bilanzierte Tedesco. Union-Trainer Urs Fischer konnte über sein Team nur Staunen. «Eine Wahnsinnsmoral, Kompliment an die Jungs: Du liegst 1:0 zurück und da kommt der Mittwochabend nochmal hoch», sagte der Schweizer. «Dann hat die Mannschaft unglaubliche Moral gezeigt, ich bin unheimlich stolz.»
Drei Tage nach der Niederlage im Pokal-Halbfinale stoppte Union zugleich die Serie von 15 ungeschlagenen Spielen der Sachsen. Vor 45.770 Zuschauern in der Red Bull-Arena traf Yussuf Poulsen (46.) zur Führung. Doch diese kam aus dem Nichts. RB hatte nicht eine Chance in Halbzeit eins, wie schon zuletzt in Leverkusen – Negativ-Rekord.
Somit erlitt RB im Kampf um die Königsklassen-Qualifikation einen großen Dämpfer und geht verunsichert ins Halbfinal-Hinspiel der Europa League an diesem Donnerstag (21.00 Uhr) gegen Glasgow Rangers. Dennoch will Tedesco seinen Spielern erstmal einen freien Tag gewähren, «um die Köpfe freizubekommen».
RB bei Video-Entscheidung im Glück
Nach nur 88 Sekunden zwang Unions Taiwo Awoniyi RB-Keeper Peter Gulacsi zu einem Klasse-Reflex. Danach herrschte im Gegensatz zum Pokalspiel viel Leerlauf. Kurz vor dem Wechsel hatten die Köpenicker die Führung auf dem Fuß: Gulacsi reagierte erneut glänzend den Schuss von Grischa Prömel (44.) aus Nahdistanz.
Dann hatte der Vizemeister Glück: ein Distanzschuss von Christopher Trimmel knallte nur an die Latte. Nach einem Schuss von Niko Gießelmann (59.) traf Nordi Mukiele beim Blocken den Unioner am Bein. Schiedsrichter Daniel Schlager überprüfte die Aktion TV-Gerät, verweigerte aber einen Strafstoß. «Wenn du den am Mittwoch bekommst, dann musst du den auch heute bekommen. Ich teile die Meinung nicht». sagte Fischer, der im Pokalspiel eine Video-Entscheidung gegen sein Team hatte.
Doch diesmal kamen die Köpenicker dank der Joker zurück. «Ich bin überglücklich, so stellt man sich eine Einwechslung genau vor», sagte Michel. Gießelmann dachte in dem besonderen Moment vor allem an die Union-Anhänger. «Es ist schon Wahnsinn, was wir für Unterstützung von unseren Fans bekommen. Die sind auch ein Grund, warum wir uns so den Arsch aufreißen, es ist auch ein Sieg für die Fans.» Jeder weitere Punkt in den verbliebenen drei Partien würde zudem einen Vereinsrekord für die Berliner bedeuten.