Lothar Matthäus zückte erstmal sein Handy. Noch vor seiner Spielanalyse als RTL-Experte wollte der deutsche Rekordnationalspieler schnell noch diese Szene als Video festhalten.
2000 Fans des 1. FC Union Berlin feierten im Lotto-Park von Anderlecht lautstark ihre Mannschaft – und das nach der höchsten internationalen Niederlage der Club-Geschichte des Fußball-Bundesligisten.
Der bekennende Union-Bewunderer Matthäus war nicht der einzige, der auch nach dem 0:3 der Eisernen im Achtelfinal-Rückspiel der Europa League bei Union Saint-Gilloise und dem damit verbundenen Ausscheiden aus dem Wettbewerb ein Gefühl entwickelte, dass trotz eines gebrauchten Fußball-Abends für die Berliner doch nicht alles schlecht gewesen sein konnte.
Stolz und Enttäuschung
«Bei mir persönlich, auch wenn es jetzt knapp nach so einem bitteren Aus ist, überwiegt trotzdem der Stolz, dass wir so weit gekommen sind. Wir haben diese Reise schon genossen», sagte Union-Kapitän Christopher Trimmel in den Stadion-Katakomben. Aus der Arena wehten noch die Urs-Fischer-Rufe der Fans herüber.
Die Diskrepanz zwischen Stolz und Enttäuschung war das Eine. Die andere Realität ist aber, dass die Berliner nun fünf Spiele in Serie nicht gewonnen haben oder wahlweise auch nur ein Spiel aus den vergangenen acht Auftritten.
In der Bundesliga ist man als Vierter noch für die eigenen gestiegenen Ansprüche überdurchschnittlich gut dabei. Die Champions League könnte im September zur großen Bühne der Europa-Rückkehr werden. Doch diese Tendenz, die nach unten zeigt, ist nicht wegzudiskutieren. Bei der Fehleranalyse sprach Trainer Urs Fischer daher für seine Verhältnisse Klartext. Individuelles Versagen in Dauerschleife monierte der Coach.
Wachsende Zweifel
«Wenn du solche Fehler machst, und das nicht erst seit heute, musst du dich nicht wundern», haderte Fischer. Union muss wieder zu sich selber finden, forderte der 57-Jährige. «Am Schluss müssen wir als Mannschaft funktionieren. Das hat uns dahin gebracht, wo wir stehen», sagte Fischer. Doch reichen dazu momentan Kraft und mentale Frische? Die Zweifel wachsen.
Am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) kommt Verfolger Eintracht Frankfurt – ein anderer bitterer Europacup-Verlierer dieser Woche – ins Stadion an der Alten Försterei. Trimmel ist sich sicher, dass schon dann wieder alte Mechanismen funktionieren.
«Der Trainer wird die richtigen Worte finden, der Präsident wird die richtigen Worte finden, da bin ich guter Dinge. Wie ich die Mannschaft kenne, wird sie ein bisschen zusammensitzen, weil wir eine gute Mentalität haben. Nicht alles schlechtreden, am Ende sind wir uns einig, dass das überragend war», lautete das Gesamtfazit zur Europacup-Saison des Union-Kapitäns nach dem bitteren belgischen Schlusspunkt.