Nach dem finalen Elfmeterglück warf U17-Torheld Paris Brunner bei seinem Triumph-Lauf das Trikot weg, Elfmeter-Experte Konstantin Heide tanzte ausgelassen über den Rasen. Die deutsche Nachwuchs-Nationalmannschaft steht nach einem Nervenkrimi vom Punkt wie zuletzt vor fast vier Jahrzehnten im Weltmeisterschaftsfinale und trifft dort am Samstag (13 Uhr/Sky Sport News) auf Frankreich.
«Jetzt wollen wir natürlich die Goldmedaille haben», sagte Trainer Christian Wück nach einem dramatischen Halbfinal-Erfolg über Argentinien. In der Kabine ballte der Coach die Fäuste und schrie seine Freude vor den feiernden Talenten laut hinaus.
Ein Debütant wird zum Helden
«Ich glaube, dass sich die Fans in Deutschland schon lange nach so einer Mannschaft sehnen», sagte der 50-Jährige. Beim mitreißenden Auftritt in Indonesien parierte Torhüter Heide von der SpVgg Unterhaching beim WM-Debüt gleich die ersten beiden Elfmeter der Argentinier – Doppeltorschütze Brunner verwandelte dann den entscheidenden Versuch zum 4:2 für Deutschland. «Wir wollen jetzt auf jeden Fall noch den Titel holen und den Weg zusammen zu Ende gehen», sagte Brunner.
Nach mitreißenden mehr als 100 Spielminuten hatte es 3:3 (1:2) gestanden. Das Dortmunder Talent Brunner war da schon erneut Torschütze durch einen Doppelpack (10./58. Minute), nach dem Treffer des Hoffenheimers Max Moerstedt (69.) zum 3:2 sah Deutschland lange wie der Sieger aus. Doch Dreifachtorschütze Agustin Ruberto (36./45.+4./90.+7) rettete eine anfangs überlegene Nachfolger-Generation von Lionel Messi & Co. ins Elfmeterschießen.
Schweinsteiger und Gündogan sind begeistert
Im schwül-warmen Surakarta demonstrierte die Auswahl von Wück ein weiteres Mal ihre große Klasse – und enorme Nehmerqualitäten. Ex-Weltmeister Bastian Schweinsteiger lobte «Mentalität und Siegeswillen», DFB-Kapitän Ilkay Gündogan würdigte den Finaleinzug als «absolut verdient». «Wir hoffen, dass sie den letzten Schritt machen und sich mit dem Titel belohnen», sagte Bayern-Trainer Thomas Tuchel.
Auch Hans-Joachim Watzke gratulierte der U17. «Das sind genau die Geschichten, die der deutsche Fußball benötigt! Mein großes Kompliment gilt der Mannschaft und dem Trainerstab. Was sie geleistet haben, ist einfach großartig», sagte der 1. Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes. «Es war sehr emotional, sehr spannend, und ich bin extrem glücklich, dass wir das Finale erreicht haben», so der 64-Jährige.
Nach tristen Tagen für die A-Nationalmannschaft verzückt das Nachwuchsteam den Deutschen Fußball-Bund weiter. Nach dem EM-Titel im Sommer, als die U17 vom Punkt im Finale gegen Frankreich gewann, soll ein weiterer Titel her. «Wir sehnen uns in Deutschland nach so einem Team, das die deutschen Tugenden verkörpert», sagte der Coach. «Die deutschen Tugenden in den 80er und 90er Jahren waren, dass wir nie aufgeben, dass wir immer an den Sieg glauben, dass wir immer zusammenhalten und dass wir mit unseren Mitteln alles geben, um als Sieger vom Platz zu gehen.»
Wie bei der EM
Die Neuauflage des EM-Finales gegen Frankreich, das Deutschland im Elfmeterschießen gewann, zieht jetzt schon alle in ihren Bann. «Die Jungs haben bei der Europameisterschaft kein Spiel verloren, haben hier kein Spiel verloren. Die Jungs haben es in sich, den nächsten Schritt zu gehen», sagte Wück. Erneut verurteilte er rassistische Kommentare im Internet gegen einige seiner Spieler.
«Die Jungs geben ihr Herz für unser Land, sie sind alle in Deutschland geboren, sind alle stolz, mit dem Adler auf der Brust spielen zu dürfen. Das ist eine ganz große Ehre, und genau das merkt man», sagte Wück.
Nur einmal glückte dem DFB in dieser Turnier-Historie zuvor der Einzug in das Endspiel. 1985 musste sich die Auswahl um Torschützenkönig Marcel Witeczek – damals traten noch U16-Teams gegeneinander an – Nigeria mit 0:2 geschlagen geben. Zuletzt im Halbfinale stand eine deutsche Mannschaft um Rani Khedira und Mitchell Weiser im Jahr 2011. Damals wurde das Team Dritter.
Zwei Spieler schlüpfen in Hauptrollen
Wie beim 1:0 gegen Spanien im Viertelfinale, als Brunners verwandelter Foulelfmeter gegen dominante Spanier den Sieg brachte, übernahm das BVB-Juwel auch im Halbfinale eine Hauptrolle. Er glänzte als Doppeltorschütze, verschuldete aber auch einen Gegentreffer. «Paris ist ein Individualist auf dem Platz, wie ihn jede Mannschaft braucht», sagte Wück. Er könne sich aber noch mehr in den Dienst der Mannschaft stellen.
Das tat Heide bei diesem Turnier klaglos als Reservist. Aber er war da, als Stammkeeper Max Schmitt vom FC Bayern krank passen musste. In der Nachspielzeit rettete Heide wiederholt – beim Ausgleich war er machtlos. Und beim Elfmeterschießen schlug seine große Stunde. «Ich wusste, dass ich da sein werde, wenn ich spielen muss, spielen darf», sagte Heide. «Es war noch keine deutsche U17 Weltmeister. Es wäre Geschichte, doch es wartet ein sehr hartes Spiel auf uns.»