Den Jubel seiner Mannschaft um Matchwinner Harry Kane nach dem befreienden Last-Minute-Sieg gegen RB Leipzig schaute sich Thomas Tuchel nicht an. Die Abschiedstournee des 50-Jährigen als Bayern-Trainer hat dank Doppelpacker Kane im 1000. Bundesliga-Heimspiel der Münchner mit einem hart erarbeiteten 2:1 (0:0) begonnen.
In der Nachspielzeit entschied der immer gefährliche, aber anfangs glücklose Kane das Topspiel mit seinem 27. Saisontor. Auch das 1:0 hatte der Torjäger erzielt (56.), das Benjamin Sesko bei seiner dritten Torchance in kurzer Abfolge ausgleichen konnte (70.). Mit dem späten Erfolgserlebnis stoppte der Rekordmeister die vorangegangene Niederlagenserie und bleibt zumindest in Sichtweite des acht Punkte besseren Liga-Dominators Bayer Leverkusen.
«Ich glaube, die bessere Mannschaft hat gewonnen, auch wenn das nach Bayern-Dusel aussieht. Wir haben einfach das bessere Spiel gemacht und verdient gewonnen», sagte Kapitän Manuel Neuer bei Sky. Zum Tuchel-Aus bemerkte der Torwart: «Das wirft natürlich auch ein schlechtes Bild auf uns alle, dass wir es nicht mit einem solchen Toptrainer geschafft haben. Wir wollen den Weg jetzt bis zum Saisonende professionell weitergehen.»
Bayern zeigen Reaktion
Der Trennungsbeschluss zeigte die von der Bayern-Führung erhoffte Wirkung – gerade in puncto Leidenschaft. Wie instabil die Münchner jedoch im neuen Jahr sind, zeigte sich nach der ersten Führung. Zweimal verhinderte Neuer gegen Sesko das 1:1. Beim erfolgreichen dritten Versuch des RB-Stürmers war der Nationaltorhüter dann machtlos, weil Leon Goretzka den Ball beim Rettungsversuch abfälschte (70.). «Wir sind gut zurückgekommen in der zweiten Halbzeit, über die erste gibt es nicht viel zu reden», sagte Janis Blaswich, der ins Leipziger Tor zurückgekehrt war und gut hielt. «Wir hatten in der zweiten Halbzeit die Chancen, die Tore zu machen», haderte Blaswich. Leipzig verpasste einen wichtigen Punkt.
Seine neue Entscheidungsfreiheit ohne Rücksicht auf ihre mögliche Langzeitwirkung konnte Tuchel bei der Aufstellung angesichts einer langen Ausfallliste nicht ausschöpfen. So musste Joshua Kimmich rechts hinten aushelfen. «Er ist Vollprofi», sagte Tuchel zur Versetzung des Nationalspielers aus dem Mittelfeldzentrum, wo Youngster Aleksandar Pavlovic Regie führte.
Tuchel verfolgte das Geschehen größtenteils auf einer silbernen Materialkiste sitzend. Und er sah eine Bayern-Elf, die bemüht war, druckvoll begann, aber der nach drei Niederlagen das Selbstverständnis fehlte – und zunächst auch Glück. Einen Angriff über Pavlovic und Raphael Guerreiro schloss Kane mit dem Kopf ab. Blaswich lenkte den Ball noch an den Pfosten (5.).
Sané mit unglücklichen Aktionen
Die aktuelle Bayern-Situation spiegelte sich dann immer wieder in den Aktionen von Leroy Sané wider. Der Nationalspieler, der in den ersten Saisonmonaten Weltklasse verkörperte, vertändelte Bälle, kam bestens eingesetzt nicht zum Torabschluss (34.). Einen Schuss von Kane, der es sogar einmal per Fallrückzieher versuchte, blockte Sané dann auch noch unglücklich mit dem Rücken (42.). So blieb es torlos zur Halbzeit gegen ein Team aus Leipzig, das die Schärfe der letzten, überragenden Siege in München (3:1 in der Liga, 3:0 im Supercup) weitgehend vermissen ließ. Trainer Marco Rose haderte viel am Spielfeldrand.
Nach der Pause meldeten sich die Gäste plötzlich im Spiel an. Amadou Haidara prüfte Neuer mit einem Distanzschuss, Mohamed Simakan schoss bei der Ecke danach vorbei (53.). Und dann? Löste Kane den Bayern-Knoten. Die Formkurve des Engländers steigt wieder. Aber im Bayern-Spiel fehlt noch vieles, auch die Qualität, einen Vorsprung souverän zu verteidigen. Die jetzt bissigen, zielstrebigen Leipziger kamen zu zahlreichen Abschlüssen, Sesko glich verdient aus. Aber dann schlug kurz vor dem Ende Kane ein zweites Mal entscheidend zu.