Stundenlang berieten die Bosse des VfB Stuttgart, dann war die Zeit von Trainer Pellegrino Matarazzo nach 100 Pflichtspielen abgelaufen.
In der sportlichen Krise des Fußball-Bundesligisten sahen Vorstandschef Alexander Wehrle, sein neuer Berater Sami Khedira und Sportdirektor Sven Mislintat nur noch die Trennung vom Chefcoach als Ausweg. Matarazzo wurde beim immer noch sieglosen Tabellenvorletzten von seinen Aufgaben entbunden.
Einen Nachfolger für den 44-Jährigen gibt es noch nicht. Spekuliert wird aber schon fleißig. Medienberichten zufolge gehören der gerade erst bei Bayer Leverkusen freigestellte Gerardo Seoane, der frühere Coach von Borussia Mönchengladbach, Adi Hütter, und Ex-Hoffenheim-Trainer Sebastian Hoeneß zu den potenziellen Kandidaten.
Wehrle: Haben Matarazzo viel zu verdanken
«Der VfB Stuttgart hat Pellegrino Matarazzo viel zu verdanken», sagte Wehrle. «Letztlich sind wir aber zu der Überzeugung gelangt, dass eine Veränderung auf der Trainerposition notwendig ist, um nach den negativen Ergebnissen der vergangenen Wochen eine Trendwende herbeizuführen.» Der VfB wartet vor dem Duell mit dem Schlusslicht VfL Bochum am Samstag (15.30 Uhr/Sky) als einziger Club der Liga noch auf den ersten Saisonsieg.
Auch beim 0:1 am Sonntag gegen den Spitzenreiter 1. FC Union Berlin agierten die Schwaben glücklos. Matarazzo schien schon kurz nach dem Abpfiff eine Vorahnung zu haben. «Ich bin sehr optimistisch, dass die Mannschaft das Spiel gewinnen kann und wird – unabhängig davon, wer auf der Bank sitzt», sagte er mit Blick auf die Partie gegen den VfL.
Worte, die zwar wie ein Abschied klangen, aber eigentlich kein Abschied sein sollten. «Ich habe damit gemeint, dass es nicht um mich geht», erklärte Matarazzo. «Ich mache mir keine Gedanken, was meine Zukunft betrifft.»
Matarazzo genau 100 Pflichtspiele im Amt
Inzwischen ist klar: Sein 100. Pflichtspiel an der Seitenlinie des VfB war Matarazzos letztes. Mit Pfiffen wurden er und die Mannschaft verabschiedet. Der Kampfgeist war zwar niemandem abzusprechen. Die Gesamtsituation wirkt sich aber massiv auf die Stimmungslage in Bad Cannstatt aus. Für den Unmut der Zuschauer hatten auch Mislintat und Matarazzo Verständnis gezeigt.
Der Italoamerikaner hatte beim VfB in der Winterpause der Saison 2019/2020 den Posten des entlassenen Tim Walter übernommen und den damaligen Zweitligisten im darauffolgenden Sommer zurück in die Bundesliga geführt. In der ersten Spielzeit nach dem Wiederaufstieg begeisterten die Schwaben phasenweise mit mutigem Offensivfußball, spielten bis zum Schluss um die internationalen Plätze mit und wurden am Ende Tabellenneunter.
Vergangene Saison schaffte der von vielen Verletzungs- und Corona-Sorgen gebeutelte VfB erst am letzten Spieltag durch ein Last-Minute-Tor von Wataru Endo gegen den 1. FC Köln (2:1) den Klassenerhalt.
Nur drei Siege im Kalenderjahr 2022
«Es waren intensive und wunderschöne Jahre mit vielen unglaublichen Momenten und Erinnerungen, die für immer bleiben werden», sagte Matarazzo. «Für die Chance, die mir hier ermöglicht wurde, im Trainergeschäft Fuß zu fassen, werde ich ewig dankbar sein.»
Kaderplaner Mislintat, über dessen ab Juni 2023 unklare Vertragssituation erst in der WM-Pause Mitte November beraten werden soll, stellte sich stets schützend vor Matarazzo. Aber: «Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem wir davon überzeugt sind, dass die Trennung von Rino unausweichlich ist», sagte er. Mislintat tue «dieser Schritt extrem leid».
Nur drei gewonnene Liga-Spiele im Kalenderjahr 2022 waren für Matarazzo am Ende jedoch zu wenig, um sich weiter im Amt zu halten. Sein Endspiel gegen die ebenfalls schwach gestarteten Bochumer bekam der Coach nicht mehr.