Ein TV-Interview musste reichen. Mit schnellen Schritten marschierte Leon Goretzka nach seinem Traum-Comeback im DFB-Trikot durch die schmucklose Pressezone des Giuseppe-Meazza-Stadions. «Ich habe schon gesprochen», warf er den im grellen Neonlicht wartenden Reportern noch leise einen Satz zu. Und weg war der Mann des Abends.
Für seine Stabilität, für seine Power, für sein Siegtor beim 2:1 im Viertelfinal-Hinspiel der Nations League in Italien wurde der Bayern-Profi von Julian Nagelsmann gelobt. Und gerühmt wurde er für sein Durchhaltevermögen in schlechten Zeiten. Und für seine Fähigkeit, trotz viel Kritik zu schweigen.
«Er hat bewiesen, dass es sich lohnt, auch mal Täler zu durchschreiten. Und sich aus vielen Diskussionen herauszuhalten, das war der cleverste Move von ihm, dass er nicht alles kommentiert hat», sagte der Bundestrainer über seinen Rückkehrer, dem er selbst vor einem Jahr die schmerzhafte Degradierung samt EM-Ausbootung zugefügt hatte.
Nagelsmann bescheinigt «Top-Charakter»
«Ein Top-Comeback, das klingt immer so hochtrabend, nach alldem was passiert ist. Das gibt es nur im Fußball», sagte Nagelsmann nun in dieser Mailänder Nacht. Und er bescheinigte Goretzka einen «Top-Charakter». Nie habe er anderes gesagt, trat der Bundestrainer dem Eindruck entgegen, die Demission zum Start ins EM-Jahr 2024 habe andere als sportliche Gründe gehabt.
Goretzka selbst hatte sein Traum-Comeback bei der Nationalmannschaft in seinen Gedanken durchgespielt. «Man traut sich hin und wieder mal, vor dem Spiel so ein Szenario auszumalen. Das habe ich tatsächlich diesmal auch gemacht», erzählte der Mittelfeldspieler des FC Bayern in der ARD: «Das ist, das muss ich zugeben, eine ganz runde Geschichte.» Goretzka erzielte in Mailand gegen Italien in der 76. Minute mit dem Kopf den Siegtreffer.
Doch nicht nur deswegen war der 30-Jährige für Nagelsmann der «MVP des Spiels», wie der Bundestrainer hinterher äußerte: «Ich glaube, er hat den größten Einfluss gehabt – hinten und vorne. Ich bin sehr froh für ihn, dass er so gut zurückgekommen ist.» Vor allem in der zweiten Hälfte habe der Bayern-Profi «ein herausragend gutes Spiel gemacht».
Die lange Pause inklusive der Nicht-Nominierung für die Heim-EM vor einem Jahr sei «natürlich nicht einfach» gewesen, gab Goretzka zu: «Aber ich möchte lieber nach vorne gucken als zurück. Ich hoffe, dass es jetzt so weitergeht.»
Schon vor dem Anpfiff war Goretzka emotional berührt gewesen. «Ich muss zugeben, bei der Nationalhymne hat es mich mehr gepackt als ich gedacht habe vorher. Aber so soll es sein», sagte er: «Ich bin sehr glücklich, heute hier gespielt zu haben», sagte er – und verschwand in die Mailänder Nacht.