Überwältigt von seinen Emotionen weinte Edin Terzic hemmungslos. Vor der gigantischen Südtribüne der treuesten BVB-Fans klopfte sich der Trainer von Borussia Dortmund mit der rechten Hand aufs Herz und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
Der dramatisch verpasste Meistertitel lösten beim 40-Jährigen und in einer ganzen Fußballregion tiefe Trauer aus. Wieder nicht der BVB, wieder der FC Bayern: Die Dortmunder konnten es nicht fassen.
«Da sieht man, wie hart und wie tough dieser Sport sein kann, in den wir uns verliebt haben», sagte Terzic. «Es gab kein Happy End für uns in dieser Saison. Es tut extrem weh.» Der Coach, der von den Borussia-Anhängern mit Sprechchören gefeiert wurde, ergänzte: «Sportlich war es das schwierigste und bitterste, was man sich vorstellen kann.»
Ringen nach Worten
Seine Spieler erlebten es genauso, rangen vor den Mikrofonen nach Worten. Mittelfeldantreiber Emre Can sagte beim Pay-TV-Sender Sky: «Es sollte einfach nicht sein. Wir als Mannschaft haben alles gegeben, aber es sollte nicht sein.» Der 29-Jährige ergänzte: «Wir wollten unbedingt, aber am Ende haben wir es nicht geschafft.»
Mit einem Heimsieg gegen den FSV Mainz 05 hätten die Dortmunder erstmals seit 2012 die Meisterschale in den Himmel recken dürfen, doch es reichte in einem packenden Spiel nur zum 2:2. Ein 2:1 gegen den 1. FC Köln nach einem späten Tor von Jamal Musiala ließ die Bayern jubeln, beim BVB herrschte Schockstarre.
Kapitän Marco Reus sank völlig niedergeschlagen zu Boden. Minutenlang starrte der Ur-Dortmunder auf den Rasen, wurde von Kollegen getröstet. Der Titel wäre die Krönung seiner langen und von Rückschlägen geprägten Karriere gewesen. Auf den Rängen war es zunächst still. Dann versuchten die Fans, sich selbst und die Mannschaft mit Gesängen und Applaus aufzumuntern.
Lob an die Fans
«Es zeigt, was für großartige Fans wir haben, was für ein toller Verein wir sind», sagte Routinier Mats Hummels. «Aber, wenn man ehrlich ist, wollten wir hier heute zusammen feiern. Das ist nur ein minimaler Trost.» Auch in der pickepackevollen Stadt wandelte sich Euphorie in tiefe Enttäuschung. Statt zur größten Partymeile wurde das Dortmunder Zentrum zu einem Meer von Trauernden.
Für den Pfingstsonntag war bereits eine große Fete mit Autokorso und Eintrag ins Goldene Buch geplant gewesen. Alles war angerichtet für den neunten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Als BVB-Fan mit hohem Identifikationsfaktor wäre Terzic ein würdiger Nachfolger von Jürgen Klopp als Dortmunder Meistercoach gewesen. Nun musste er den Bayern gratulieren und tat das fair. «Es ist der ehrlichste Titel, den man gewinnen kann, wenn man nach 34 Spieltagen oben steht», sagte Terzic.
«Es fühlt sich alles sehr leer an. Trotzdem weiß ich, dass es morgen einen neuen Tag gibt, morgen weitergeht. Wir waren 90 Minuten davon entfernt, die Schale nach Dortmund zu holen,» sagte er und kündigte bereits den nächsten Angriff auf den Dauer-Champion aus dem Süden an. «Wir waren ein Tor davon entfernt, ab morgen sind wir wieder 34 Spieltage davon entfernt. Wir sind die letzten Wochen auf einem richtig guten Weg gewesen. Jetzt geht es darum, die nächsten 34 Spieltage zu nutzen, um es dann endlich zu schaffen.»
Zuvor müssen die Dortmunder das Erlebte aber erst einmal verdauen. Der Kontrast zwischen dem erhofften Triumph und dem nun erlebten Verdruss könnte größer kaum sein. «Die nächsten Tage werden brutal», sagte Hummels. Ich bin eigentlich jemand, der dann sehr für sich sein möchte. Aber mal schauen. Das wird schwer, das Ganze zu verarbeiten. Das wird länger als ein paar Tage dauern.»