Im Moment des größten Erfolgs von Jamaikas Fußballerinnen kamen Cedella Marley die Tränen.
Die Tochter von Musik-Ikone Bob Marley wurde besonders emotional, als sich die Reggae Girlz bei der WM in Australien und Neuseeland als erste Mannschaft aus der Karibik überhaupt die Teilnahme an der K.o.-Phase sicherten. «So stolz. 3 Spiele gespielt. Nicht ein einziges Tor zugelassen», schrieb die Musikerin in den sozialen Medien und veröffentlichte Fotos, wie sie das Spiel gebannt verfolgte. Zu einem Duell mit Deutschland kommt es nach dem überraschenden Vorrundenaus der DFB-Auswahl nicht, stattdessen geht es im Achtelfinale gegen Kolumbien.
Cedella Marley zitierte schon einen berühmten Spruch ihres Vaters: «Fußball ist Freiheit». So heißt auch eine Initiative, die Marley vor knapp zwei Jahren ins Leben rief, um den Frauenfußball in der Karibik und Lateinamerika zu fördern. Sie ist Botschafterin des Nationalteams ihres Heimatlandes und unterstützt dieses seit 2014 über die Bob-Marley-Stiftung auch finanziell. Die Auswahl hätte wegen Unterfinanzierung einst fast aufgelöst werden müssen. So etwas ist jetzt unvorstellbar, denn das ganze Land ist stolz auf seine Fußballerinnen, die durch das 0:0 im letzten Gruppenspiel für das Aus von Brasilien sorgten.
Spielerinnen beklagen «extreme Desorganisation»
Die erste WM-Teilnahme an einer K.o-Runde nannte Kultur- und Sportministerin Olivia Grange «zweifellos den stolzesten Moment bisher in Jamaikas Fußballgeschichte». Premierminister Andrew Holness twitterte mehrmals, schrieb unter anderem «Historisch!», «Jamaika! Die Besten der Welt!» Vom Fußballverband des Inselstaates JFF hieß es: «Wortwörtlich Tränen in unseren Augen, während wir dies posten!» und «Pure Freude!»
Solchen Enthusiasmus der Institutionen ihres Landes hatten die Reggae Girlz lange vermisst. Erst Mitte Juni hatte die Mannschaft in einem offenen Brief «äußerste Enttäuschung» über den Verband ausgedrückt. Sie hätten bereits mehrfach Bedenken über Unzulänglichkeiten bei «Planung, Transport, Unterbringung, Trainingsbedingungen, Entschädigung, Kommunikation, Ernährung und Zugänglichkeit geeigneter Ressourcen» mitgeteilt, es sei aber nichts geschehen. Mehrmals hätten sie eine vertraglich vorgesehene Entschädigung nicht erhalten, wegen «extremer Desorganisation» hätten vor der WM mehrere offizielle Freundschaftsspiele abgesagt werden müssen.
Die JFF antwortete, man habe die Bedenken vernommen und nehme sie ernst. «Wir erkennen an, dass Dinge nicht perfekt gemacht worden sind, und arbeiten mit Nachdruck daran, dies zu lösen.»
Viel finanzielle Hilfe nötig
Um die Kosten der Reise zur WM zu decken, organisierte die Mutter der Mittelfeldspielerin Havana Solaun – die 2019 in Frankreich bei Jamaikas erster WM-Teilnahme das einzige Tor geschossen hatte – eine Crowdfunding-Kampagne im Internet. Dabei kamen bislang etwas mehr als die Hälfte der angepeilten 100.000 US-Dollar (rund 91.000 Euro) zusammen. Auch Cedella Marley sammelte Geld, nahm gemeinsam mit ihren Brüdern Damian und Stephen den Song «Strike Hard» auf. Mit Unterstützung von Ausrüster Adidas wurde vor der WM ein Trainingslager bei Ajax Amsterdam organisiert.
«Diesen Mädchen ist lange Zeit gesagt worden, dass Frauen im Sport, besonders im Fußball auf Jamaika – dass das wirklich nicht so wichtig war», sagte Cedella Marley kürzlich dem US-Nachrichtensender CNN. Das habe sich auf der ganzen Welt inzwischen drastisch geändert, für Jamaika geht es nun sogar um den Einzug ins Viertelfinale, obwohl die Mannschaft lediglich ein Tor beim 1:0 gegen Panama erzielte. Gegen Gruppensieger Frankreich und die ausgeschiedenen Brasilianerinnen gab es je ein 0:0 und damit Platz zwei in der Gruppe F.
Jamaika besonders in der Leichtathletik aktiv
Gegen Kolumbien wird das Team um Offensivstar Khadija Shaw von Manchester City am kommenden Dienstag in Melbourne spielen – und damit nur zwei Tage nach einem Nationalfeiertag, dem 61. Jahrestag der Unabhängigkeit Jamaikas von Großbritannien.
Der Karibikstaat mit rund drei Millionen Einwohnern hat in der Leichtathletik immer wieder Spitzenathletinnen und -athleten hervorgebracht. Die erste Teilnahme der jamaikanischen Bobmannschaft bei Olympischen Winterspielen 1988 verzückte die Welt und wurde im Hollywood-Film «Cool Runnings» verewigt. Die Reggae Boyz, Jamaikas Männer-Auswahl, hat sich erst einmal für eine Fußball-WM qualifiziert: 1998 in Frankreich. Ihnen gelang damals ein Sieg gegen Japan, trotzdem war nach der Gruppenphase Schluss.