Mit hohen Erwartungen, voller Vorfreude und ohne großen Druck vom DFB-Präsidenten gehen die deutschen Fußballerinnen das Unternehmen EM an.
Vor dem geplanten Abflug in Frankfurt/Main sagte der neue Verbandschef Bernd Neuendorf: «Ich bin niemand, der sagt, die Frauen müssen ins Finale oder ins Halbfinale kommen, sonst ist das eine Enttäuschung.» Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg warnte noch einmal vor der harten Konkurrenz für den Rekord-Europameister in England.
Neuendorf will den DFB-Frauen keine Vorgaben für das Abschneiden machen. «Ich habe ja immer betont, ich bin kein Präsident, der sagt: Man muss so und so weit kommen», sagte der 60-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. «Ich vertraue dem Trainerstab.»
Abwehrspielerin Sara Doorsoun von Eintracht Frankfurt hat es längst so formuliert: «Wir wollen den Titel holen.» Nicht nur bei der erfahrenen Wolfsburgerin Almuth Schult, die der Frankfurter Stammkeeperin Merle Frohms den Vortritt lassen muss, herrscht «totale Vorfreude». Natürlich träumen alle im 23er Kader um Kapitänin Alexandra Popp vom Finale im Wembley-Stadion am 31. Juli.
Zum EM-Auftakt gegen Dänemark
Praktisch gleich um alles geht es für den achtmaligen Europameister aber bereits am Freitag (21.00 Uhr/ZDF) in London-Brentford gegen den EM-Zweiten von 2017. «Der Auftakt gegen Dänemark ist unser wichtigstes Spiel – darauf liegt unser Fokus», sagte Assistenztrainerin Britta Carlson.
Am Team um die frühere Wolfsburgerin Pernille Harder war Deutschland 2017 im Viertelfinale gescheitert – damals noch unter Bundestrainerin Steffi Jones. Eine Niederlage gegen die Däninnen würde den Olympiasieger von 2016 und Weltmeister von 2003 und 2007 im zweiten Gruppenspiel gegen Titelkandidat Spanien (12. Juli) enorm unter Druck setzen. Außenseiter Finnland ist am 16. Juli der letzte Vorrundengegner. Im Viertelfinale droht ein K.o.-Spiel gegen Gastgeber England, das am Mittwoch im ausverkauften Old Trafford von Manchester die EM mit der Partie gegen Österreich eröffnet.
Der Auftrag: Zurück an die Weltspitze
Voss-Tecklenburg war selbst als Spielerin viermal bei EM-Triumphen dabei – aber sie will davon nicht mehr viel wissen. «Ohne die Leistungen früherer Jahre schmälern zu wollen: Das Niveau ist taktisch, technisch, athletisch viel höher», sagte die 54-Jährige in einem Interview der «Süddeutschen Zeitung» zum derzeitigen Stand der Weltspitze, wo Deutschland noch nicht wieder sei, aber wieder hin wolle: «Das ist unser Auftrag, und ich möchte auch als Trainerin mit dem DFB Titel gewinnen. Aber es ist schwieriger geworden, und bei vielen Leuten ist das noch nicht angekommen.»
Voss-Tecklenburg hatte nach dem bitteren WM-Viertelfinal-Aus 2019 gegen Schweden und der damit verpassten Olympia-Teilnahme im Grunde drei Jahre Zeit, ihr Team auf das Turnier in England vorzubereiten. Neuendorf besuchte die DFB-Frauen in einem ihrer beiden Trainingslager in Herzogenaurach und gewann «einen super Eindruck». Er habe nicht das Gefühl gehabt, dass es irgendwo in der Vorbereitung gehakt habe: «Das ist die beste Voraussetzung, sehr erfolgreich abzuschneiden. Das traue ich ihnen zu.»
Viele würden erwarten, dass die deutschen Fußballerinnen jedes Turnier gewinnen müssen, befürchtet die Bundestrainerin. «Mir ist wichtig, dass klar ist: Es wird bei dieser EM sehr eng werden und auch auf Spielglück und Kleinigkeiten ankommen. Wir werden coole Gegner haben, die richtig was können», so Voss-Tecklenburg.