Pellegrino Matarazzo dürfte im heimischen Wohnzimmer ordentlich durchgeschnauft haben. Der Coach des VfB Stuttgart hatte angekündigt, sich die Partie von Verfolger Arminia Bielefeld beim VfL Bochum am Freitagabend mit seinem Trainer-Team in seiner Wohnung anzuschauen.
Und vermutlich haben ihm nicht nur das Abendessen und das Bierchen, das er trinken wollte, geschmeckt. Durch ihre 1:2-Niederlage blieben die Bielefelder in der Tabelle der Fußball-Bundesliga hinter den Stuttgartern. Die könnten mit einem Sieg beim FC Bayern München am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) nun sogar schon den Einzug in die Relegation sichern. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht und die abschließende Aufgabe gegen den 1. FC Köln in einer Woche auch knifflig. Der Abstiegskampf als Nervenkrimi. Beim VfB war der Stress lange nicht, zuletzt aber umso mehr zu spüren.
Die Schwaben waren nicht entschlossen genug
Über weite Strecken der Saison wirkten die Stuttgarter, als seien sie sich ihrer Sache recht sicher. Mit den vielen Leistungsträgern, die verletzungs- oder krankheitsbedingt immer wieder fehlten, würde auf Sicht bestimmt auch der Erfolg zurückkehren. So weit die Theorie. Doch die Praxis sah anders aus.
Neun sieglosen Spielen in Serie folgte im März zwar ein Aufbäumen. Der VfB holte acht Punkte aus vier Spielen, drehte Rückstände gegen Gladbach (3:2) und Augsburg (3:2) – und den Spieß im Abstiegskampf gefühlt noch mal herum. Aber eben nur gefühlt. Und nur ein Stück weit. Bei den Unentschieden in Bielefeld (1:1) und Mainz (0:0) wurden anschließend wieder Punkte verschenkt.
Die Schwaben packten nicht entschlossen genug zu, als sich ihnen die Chance bot, unten rauszuklettern – und die sportliche Führung die Spieler zu lange womöglich nicht hart genug an. In der Regel stellten sich Trainer Matarazzo, der selbst nie zur Diskussion stand, und Sportdirektor Sven Mislintat schützend vor die Mannschaft. Nur in Ausnahmefällen wie nach dem 0:0 in Fürth zum Rückrunden-Beginn kritisierten sie sie öffentlich. Und erst nach der Niederlage bei Hertha BSC (0:2) und dem Remis gegen Wolfsburg (1:1) in den vergangenen zwei Partien wurde der Ton der Bosse richtig rau. «Kackspiele» seien das von seinem Team gewesen, sagte der Coach.
Aufstehen und Haltung wahren
Man müsse «differenzieren zwischen dem, was intern und extern kommuniziert wird», erklärte Matarazzo am Freitag. «Was soll jeder Spieler hören? Was soll die Mannschaft hören? Was sollen die Medien hören? Wann ist der richtige Zeitpunkt, auch ein Zeichen zu setzen nach außen?» All das gelte es immer abzuwägen. Nach der Partie in Bielefeld habe er beispielsweise durchaus «überlegt, was die richtige Ansprache ist.» Sollte er die Spieler dafür loben, dass sie so viele Torchancen kreiert haben? Oder sie dafür kritisieren, dass sie sie nicht genutzt haben? Es ist oft ein schmaler Grat, auf dem Trainer bei ihrer Analyse wandeln. Darüber, ob ihm das immer gelungen ist, könne man durchaus diskutieren, gab Matarazzo unumwunden zu.
Fakt sei: «Wir sind, wo wir aktuell sind und wollen bestmöglich aus dieser Situation rauskommen.» Mut, eine geschlossene Teamleistung, Härte und Intensität forderte der Coach daher für die Partie bei den Bayern. Aufzustehen und Haltung zu wahren, gelte es nun. Matarazzo will in München unbedingt punkten – Meisterfeier hin oder her.
Bayern-Trainer Julian Nagelsmann wird keine Rücksicht auf seinen früheren Assistenten aus Hoffenheimer Zeiten nehmen. «Ich will das Spiel gewinnen, auch wenn ich Rino als Mensch und Fachmann sehr schätze», sagte der 34-Jährige. Die Schwaben, die den Münchnern mit einem 4:1 vor vier Jahren schon mal die Schalenübergabe vermiesten, fahren laut Matarazzo wiederum nicht hin, «um eine Party mitzufeiern, sondern um unsere eigene Geschichte zu schreiben.»