Zweite Klasse – von wegen: Die 2. Fußball-Bundesliga ist vor dem Start in ihre 50. Saison am Freitag längst eine 1b-Liga. Mindestens.
Vor allem im Bereich Tradition und Kultfaktor ist das Unterhaus mit 13 Ex-Meistern, immer besser gefüllten Arenen und neuen Stars wie Max Kruse oder Lars Stindl auf gutem Wege, der Bundesliga ernsthaft Konkurrenz zu machen.
In der 2. Liga würden inzwischen «mehr Vereine spielen, die die Leute emotionalisieren als eine Etage höher», sagte Ex-Profi Torsten Mattuschka, der für Sky jede Woche die Zweitliga-Spiele analysiert, dem «Kicker». Und Präsident Oke Göttlich vom FC St. Pauli erklärte: «Das wird wieder eine unfassbar geile 2. Liga. Ich kann mir vorstellen, dass sich einige in der Bundesliga wünschen, dass sie ausgestattet ist wie die 2. Liga.»
Erstliga-Relevanz schwindet
Ist die 2. Liga also die bessere Bundesliga? Ganz so weit ist es sicher noch nicht. Doch während vor allem die Relevanz der Erstliga-Konferenz am Samstag zunehmend schwindet, kann die kleine Schwester plötzlich mit Duellen wie dem Auftakt-Kracher zwischen den früheren Europacup-Siegern Hamburger SV und FC Schalke 04 am Freitag (20.30 Uhr/Sat.1 und Sky) aufwarten.
In jedem Fall dürfte sich die Aufholjagd der 2. Liga beim Zuschauer-Interesse nicht nur fortsetzen, sondern beschleunigen. Im Vorjahr kam das Oberhaus auf einen Schnitt von 42.992 Besuchern, die 2. Liga auf 22.263. «Es wird in dieser Saison ganz sicher einen Zuschauerrekord geben», sagte Klaus Allofs, Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf.
Daran wird nicht nur die Fortuna ihren Anteil haben, die die Zuschauer bei drei Spielen kostenlos in ihre 54.000 Zuschauer fassende Arena lässt. Das Fassungsvermögen der 18 Stadien liegt im Ligavergleich nur noch um 6000 auseinander, bei 34.600 zu 40.600. Die Bundesliga-Aufsteiger Heidenheim und Darmstadt hatten im Vorjahr einen Schnitt von 13.395 Besuchern. Die Absteiger Schalke und Hertha BSC kamen als Dritter und Vierter der Erstliga-Zuschauertabelle auf 57.392.
Große Namen
Dazu kommen inzwischen eben auch Spieler mit Strahlkraft wie der zum SC Paderborn gewechselte Kruse, der zum Karlsruher SC heimgekehrte Lars Stindl oder der neunmalige Nationalspieler Marcel Halstenberg, den es aus privaten Gründen zurück zu Hannover 96 zog. «Diese Namen tun dieser Liga unheimlich gut», sagte der langjährige Bundesliga-Trainer Dieter Hecking, der heute Sportvorstand beim 1. FC Nürnberg ist: «Sie werten sie auf, sie sind Attraktionen, locken noch mehr Interessierte.» Unter normalen Umständen könne man solche Transfers als Zweitligisten «eigentlich gar nicht machen», sagte Allofs: «Das sind erst mal glückliche Umstände für diese Clubs. Nun muss man sehen, wie sie damit umgehen.»
Paderborn, Karlsruhe und Hannover gehören spätestens mit diesen Führungsspielern auch zum erweiterten Kreis der Favoriten. Auf die Frage nach dem Top-Favoriten wollte Allofs, der sich mit dem Vorjahres-Vierten Düsseldorf ebenfalls «den Aufstieg wünscht», denn auch erst auf mehrfache Nachfrage antworten. «Wenn man unbedingt einen nennen will, dann eben Schalke», sagte der Ex-Nationalspieler. Und ergänzte lachend: «Die können gut damit leben.»
Aufstieg kein Selbstläufer für Favoritenteams
Bei bis zu zehn potenziellen Anwärtern wird sich manch einer im Saisonverlauf aber vielleicht sogar im Abstiegskampf wiederfinden. Der Absturz von Arminia Bielefeld von der ersten in die dritte Liga im Vorjahr verdeutlichte noch einmal diese Gefahr. Ein Selbstläufer wird der Aufstieg für die Alphatiere Schalke, Hamburg und Hertha deshalb nicht. «Ich glaube nicht, dass die großen Drei das unter sich ausmachen werden», sagte Trainer-Urgestein Ewald Lienen.
Dennoch will und muss dieses Trio hoch. «Wer mich kennt, weiß, dass ich aufsteigen will», sagte Schalke-Trainer Thomas Reis: «Und mit Druck kann ich umgehen.» In Hamburg betonte Sportvorstand Jonas Boldt nach fünf knapp gescheiterten Anläufen: «Wir waren immer eng dran – jetzt versuchen wir, endlich durch die Tür zu gehen.» Bei der Hertha hat Trainer Pal Dardai zumindest einen Mentalitätswechsel festgestellt. «Letzte Saison waren es 70 Prozent faule Spieler und 30 Prozent gewillte Spieler», sagte er: «Und jetzt ist es genau umgekehrt.»