Angesprochen auf den Wirbel um ihn, wird Fabian Hürzeler verlegen. Die Siegesserie des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli hat das Interesse an dem jungen Trainer geweckt.
«Wenn ich sagen würde, ich nehme es nicht wahr, dann würde ich lügen», sagt der 30-Jährige. «Nicht ich bin derjenige, der das umsetzt, sondern die Spieler», bekräftigt er stets und lobt auch seine Assistenten und die medizinische Abteilung. «Klar bin ich letztlich verantwortlich. Aber mir ist wichtig, dass ich weiß, wo es herkommt», sagt er.
Hürzeler, der vor Pressekonferenzen manchmal den anwesenden Journalisten die Hand gibt, gilt als einer der interessantesten Trainer im deutschen Profifußball. Der jüngste Coach in den oberen drei Ligen hat aus dem angeschlagenen Hamburger Club ein schlagkräftiges Team geformt, das das Aufstiegsrennen im Blick hat. Worin liegt das Erfolgsgeheimnis?
Bornemann hält viel von Trainer Hürzeler
«Er ist sehr bedacht, indem was er tut. Er hat eine hohe innere Überzeugung und Klarheit, wie er Fußball spielen will, wie er über den Sport denkt und wie er es vermitteln will. Das gibt ihm eine große Sicherheit», sagt der sportliche Leiter Andreas Bornemann der Deutschen Presse-Agentur. Das hohe Selbstbewusstsein könnte Hürzeler teils als Überheblichkeit ausgelegt werden. Sein Chef sieht das anders. Einen «Draufgänger» sehe er in ihm nicht.
Bornemann ging ins Risiko, als er Hürzeler im Dezember vom Assistenz- zum Interims- und letztlich zum Cheftrainer beförderte. Das Trainer-Talent hatte zuvor unter Timo Schultz als Assistent gearbeitet. Nach der Trennung von Fan-Liebling Schultz musste sich Bornemann einiges anhören. Mittlerweile sind kritische Stimmen nach acht Siegen in acht Rückrunden-Spielen verstummt. «Vom ersten Tag an hatte ich bei Fabian ein sehr gutes Gefühl. Sehr schnell hat sich der Gedanke bei mir verfestigt, dass es ein absolut lohnenswerter Ansatz mit ihm ist und gar nicht unbedingt ein Risiko», sagt Bornemann. Aus einem verunsicherten Team formte Hürzeler eine Mannschaft, die defensiv wenig zulässt und vorne regelmäßig trifft. Unter ihm kassierte der Kiez-Club bislang nur drei Gegentreffer in der Rückrunde. Hürzeler änderte das Spielsystem nur um feine Nuancen. Er etablierte in Co-Kapitän Jackson Irvine und Marcel Hartel ein erfolgreiches Duo im zentralen Mittelfeld, vorne greift Lukas Daschner flankiert von den Außenspielern Oladapo Afolayan und Connor Metcalfe an.
«Ich glaube, dass wir reifer geworden sind über die Winterpause», sagt Mittelfeldspieler Marcel Hartel. Für ihn liege der «Riesenschritt nach vorne» darin, dass die Mannschaft auch in schwierigen Spielphasen Ruhe bewahre und so knappe Ergebnisse über die Zeit bringe. Zudem lobt er auch Hürzelers «sehr guten Job» bei den Videoanalysen.
Hürzeler «denkt von Spiel zu Spiel»
Nach der Hinrunde hatte der FC St. Pauli nur einen Platz vor den Abstiegsrängen gelegen. Mit Hürzeler rauschte das Team von Platz 15 auf fünf. Von Abstieg redet niemand mehr, plötzlich erscheint noch der Aufstieg möglich.
Die Erfolgsstory in Hamburg ist auch im Ausland bemerkt worden. Zuletzt gab Hürzeler dem Sport-Portal «The Athletic» ein Interview. Darin beschrieb er, wie er bei seiner ersten Teambesprechung als Chefcoach sagte, dass er weiter der Fabian sei, nun aber schwierige Entscheidungen treffe, die auch verletzend sein könnten. Hürzeler sieht sich aber auch durch sein Alter auf Augenhöhe mit den Spielern, möchte sie durch «Ideen» überzeugen. Widerspruch ist ausdrücklich erlaubt. Die Grundlagen eignete sich Hürzeler bei den Amateuren an: In der bayerischen Provinz lernte er, wie wichtig es ist, einen kleinen Ort hinter dem Club zu vereinen. Als Spielertrainer (2016 bis 2020) führte er den FC Pipinsried in die Regionalliga. Seine Fußball-Lehrerlizenz legt er erst vor Kurzem ab, als er schon Chef auf St. Pauli war. Ob als Höhepunkt der Erfolgsstory noch der Aufstieg folgt, damit will sich der in den USA geborene Hürzeler nicht befassen. Nur acht Punkte trennen den FC St. Pauli vom Stadtrivalen HSV auf dem Aufstiegsrelegationsrang. Der FC St. Pauli trifft jeweils auswärts noch auf die Top drei 1. FC Heidenheim (8. April, HSV (21. April) und Tabellenführer Darmstadt 98 (6. Mai). Hürzeler sagte zuletzt in gewohnter Trainer-Manier, dass «wir von Spiel zu Spiel denken». Noch sind neun Spieltage zu absolvieren.