Im Nebenerwerb waren sie Metzer, Gemüsehändler, Tankstellenpächter oder Lehrer. Als vor 60 Jahren die Bundesliga gegründet wurde, gingen die allermeisten Profis weiter einem Beruf nach.
Die im Vergleich zu heute sehr, sehr geringen Verdienstmöglichkeiten im Fußball ließen selbst Stars wie Uwe Seeler keine andere Wahl. «Dafür hätte ich für meine Familie in Hamburg nicht mal ein Zelt mieten können», scherzte der 2022 gestorbene DFB-Ehrenspielführer vor Jahren mit Blick auf die bei Ligagründung festgelegte Gehaltsobergrenze von 1200 Mark brutto. «Für mich war mit Beginn der Bundesliga klar, ich muss meinen Beruf behalten. Allein aus Sicherheitsgründen. Alle meine Kollegen beim HSV haben das auch so gemacht», erinnerte sich der Vize-Weltmeister von 1966.
Jahres-Durchschnitt zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro
Auch wenn es in Ausnahmefällen für den ein oder anderen Profi mehr Geld gab, sind solche Zustände heute undenkbar. Exorbitante Gehälter, Handgelder und Ablösesummen sorgen für Diskussionen über die schwindende Bodenständigkeit des Fußballs. Experten taxieren das Jahres-Durchschnittsgehalt von Bundesligaprofis mittlerweile auf zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro. Spitzenverdiener beim Rekordmeister FC Bayern sollen gar auf rund 20 Millionen Euro kommen.
Spielerberater Stefan Backs hält solche Summen für vertretbar. «Wenn Hollywood-Stars Millionen-Summen verdienen, können das auch Fußballstars. Sie unterhalten Millionen Menschen weltweit. Das ist kein Schweiß- und Stollensport mehr so wie früher, sondern ein durchgetakteter Teil einer Unterhaltungsindustrie. Damit sind diese Gehaltssprünge zu erklären», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Allein in den vergangenen sechs Jahren stiegen die Gesamtpersonalkosten im Fußball-Oberhaus für Profis und Trainer von 1,05 Milliarden Euro auf 1,46 Milliarden Euro. «Jeder, der in der Bundesliga spielt, sollte – wem auch immer – jeden Tag dankbar sein, dass er dieses Talent besitzt», kommentierte der damalige DFL-Geschäftsführer Christian Seifert zu Beginn des Jahres 2017. Selbst die Einnahmeverluste der Vereine in der Coronakrise reduzierten die Lohnkosten nur vorübergehend und geringfügig.
Berater heiß begehrt
So viel Geld auf dem Markt weckt Begehrlichkeiten. Jeder talentierte Regionalligaspieler leistet sich mittlerweile einen Berater. Nach Einschätzung von Backs tragen Berater aber nur bedingt zu steigenden Personalkosten bei: «Sie sind Beschleuniger, aber nicht die Verursacher dieses Systems.» Zudem verwies er auf die deutlich geringeren Verdienstmöglichkeiten in den beiden anderen beiden deutschen Profiligen: «Nimmt man die 2. und 3. Liga dazu, sinkt das Durchschnittsgehalt auf deutlich unter eine Million Euro.»
Gleichwohl sorgen die üppigen Zahlungen im Fußball-Oberhaus für öffentliche Debatten. Forderungen nach einem «Salary Cap», einem Gehaltsdeckel wie in der amerikanischen National Basketball Association (NBA), verpuffen jedoch regelmäßig. «Die NBA ist ein geschlossenes System, der Fußball aber nicht. Er ist europaweit von einzelnen Verbänden abhängig. Wenn nur ein Verband nicht mitmacht, wird alles ausgehöhlt», kommentierte Backs mit Verweis auf die Schwierigkeiten der Umsetzung. Versuche der UEFA, den finanziellen Wildwuchs der kontinentalen Clubs durch die Financial-Fairplay-Regel einzudämmen, gelten als nur bedingt wirksam.
Schon die eher puristisch denkenden Gründerväter der Bundesliga wurden von der Entwicklung überrollt. Sonderprämien, Schwarzgeldzahlungen und der Bestechungsskandal Anfang der 70er-Jahre führten zu einer Aufhebung der Gehaltsobergrenze. Damit sollte die Gefahr der Manipulation von Spielergebnissen im großen Stil verringert werden.
Erste Trikotwerbung 1973
Von da an stiegen die Gehälter rasant an. Neue Einnahmequellen trugen zu einer weiteren Kommerzialisierung bei. Die moralische Entrüstung über die erste Trikotwerbung, als die Spieler von Eintracht Braunschweig am 24. März 1973 mit dem Hirschkopf-Emblem eines Kräuterlikörherstellers auf der Trikotbrust aufliefen und dem Verein damit 160.000 Mark einbrachten, sorgt heute nur noch für ein müdes Lächeln.
Mit der Einführung des dualen Rundfunksystems in den 80er-Jahren beschleunigte sich die Entwicklung enorm. Der Vorteil: Die Wirtschaft entdeckte das Werbepotenzial des TV-Sports. Zudem entwickelte sich ein Wettbieten um die Erstverwertungsrechte, da sich die privaten Sender auf dem Markt etablieren wollten. Hauptnutznießer dieser Geldschwemme waren die Spieler und ihre Berater. Das Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1995, das Profis nach Vertragsende einen ablösefreien, meist mit Handgeld versüßten Vereinswechsel ermöglichte, erhöhte die Verdienstmöglichkeiten zusätzlich.
An einen Rekordtransfer wie den 222 Millionen Euro teuren Wechsel des Brasilianers Neymar von Barcelona nach Paris im Sommer 2017 denkt noch kein deutscher Verein. Aber auch die Bundesliga ist auf dem Weg in schwindelerregende Höhen, für den Branchenprimus Bayern scheinen selbst 100 Millionen Euro kein Hindernis mehr.
An solchen Verhandlungen sind heutzutage viele Protagonisten beteiligt. Als Seeler zu Beginn der 60er-Jahre eine eigentlich unwiderstehliche Millionenofferte aus Italien ausschlug, war das noch anders. «Es gab ja keine Berater. Ich hatte mich vorher ein wenig schlau gemacht und bin jeden Tag schwindeliger geworden», sagte der nebenberuflich als Repräsentant eines Sportartikelherstellers tätige Seeler. Nach tagelangen Gesprächen in einem Hamburger Hotel entschied er sich für eine Absage. Ein Grund dafür war der schlichte Tipp des Vaters: «Er hat mir gesagt, auch Du kannst nur ein Steak am Tag essen.»