Die Einschätzung von Thomas Reis vor dem Rückrundenstart des FC Schalke 04 ist so nachvollziehbar wie bitter für den Traditionsverein aus dem Revier.
«Im Endeffekt braucht man jetzt auch nicht groß auf die Tabelle schauen. Wichtig ist, dass man jetzt Gas gibt und dass man versucht, ein anderes Gesicht zu zeigen und Punkte zu holen», sagte Reis vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN). Der Blick auf die Tabelle zeigt: Schalke ist Letzter und würde das auch mit einem Sieg bleiben. Der Klassenerhalt in der Bundesliga ist ganz weit weg, käme inzwischen mindestens einem mittleren Fußballwunder gleich.
Die Hoffnung, die lange Winterpause für fußballerische Verbesserungen zu nutzen, hat sich zumindest in den ersten beiden Spielen 2023 nicht erfüllt. War die Leistung beim 0:3 bei Eintracht Frankfurt zumindest spielerisch größtenteils in Ordnung, stimmte beim 1:6-Debakel gegen RB Leipzig am Dienstag gar nichts bei Schalke. Ordnung, angemessenes Zweikampfverhalten, Torgefahr: All das zeigten die Gelsenkirchener nur in Ansätzen und als die Partie längst entschieden war.
Reis: «Schmutziger sein»
Dass Schalke als Aufsteiger keinen Top-Kader hat und die Saison eine im Abstiegskampf wird, war den Verantwortlichen und Fans vorher klar. Dass die Mannschaft in vielen Spielen derart unterlegen ist und gegen Leipzig auch mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nicht dagegenhielt, überrascht dagegen schon etwas.
«Wenn ich den Eindruck habe, der Gegner ist besser, dann muss ich vielleicht auch ein bisschen schmutziger sein als der Gegner», forderte Reis. Anders als im vergangenen Jahr beim VfL Bochum hat es der 49-Jährige bislang auf Schalke nicht geschafft, dass seine Mannschaft individuelle Defizite durch taktische Disziplin, Kampfgeist und mitreißenden Einsatz kompensiert.
In früheren Jahren hätte Schalke in einer solchen Situation wohl im Winter noch einmal kräftig auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Auch diesmal kamen Neuzugänge, aufgrund der angespannten finanziellen Situation aber eher für kleines Geld und als Leihspieler. Die Hoffnungsträger heißen nun beispielsweise Tim Skarke oder Moritz Jenz – beide waren bei ihren vorherigen Clubs keine Stammspieler. Hoffnungen verbinden die Fans und Reis zudem mit Rodrigo Zalazar – einem der großen Aufstiegshelden der vergangenen Spielzeit, der nach langer Fußverletzung wieder zur Verfügung steht.
Harmlosester Angriff
«Ich bin froh, dass er zurück ist, weil er die Qualität anhebt», sagte Reis über den 23-Jährigen. Der Offensivmann soll helfen, den harmlosesten Angriff der Bundesliga gefährlicher zu machen. Dass er schon gegen Köln für einen Einsatz von Beginn an infrage kommt, ist nach seiner langen Pause seit Anfang Oktober aber eher unwahrscheinlich.
Kölns Trainer Steffen Baumgart drückte trotzdem wie üblich vor der Partie seinen Respekt für den Gegner aus. Bei neun Punkten nach 17 Spielen sei jede Begegnung für Schalke nun sehr wichtig. Er gehe davon aus, «dass das Spiel für sie Endspiel-Charakter hat und sie aggressiv und mit voller Power versuchen werden, das Spiel zu gewinnen», sagte er.
Für viele Schalke-Fans hat die Partie gegen den formstarken FC nicht nur aufgrund der prekären Lage des eigenen Clubs zudem eine besondere Bedeutung. Die Rivalität ist groß. In der Vergangenheit kam es mehrmals zu gewalttätigen Auseinandersetzungen rund um die Begegnung. Aktive Kölner Fans pflegen enge Beziehungen zu Anhängern von Schalkes Erzrivalen Borussia Dortmund. In einem offenen Brief richtete sich die Polizei vor dem Spiel an die Fans und rief zu Besonnenheit auf.
Fans stimmen Spieler auf Köln-Spiel ein
Beim Abschlusstraining am Samstag stimmten rund 3000 Schalker Anhänger die Spieler auf die Partie ein. Die Ultras wandten sich mit einer Rede an die Mannschaft. Die Fans hätten nach dem Abstieg und dem direkten Wiederaufstieg schwere Jahre erwartet und könnten auch mit Niederlagen umgehen, sagte ein Vertreter der Ultras mit Megafon. «Ihr müsst nur eine einzige Sache machen: Euch von der ersten bis zur letzten Minute den Arsch aufreißen», sagte er.
Zumindest in dieser Saison nicht mehr für Schalke spielen wird Jordan Larsson. Den Sohn der schwedischen Fußball-Legende Henrik Larsson verlieh Schalke an den FC Kopenhagen.