Noch Minuten nach dem Schlusspfiff glich das heimische Stadion einem Tollhaus. Als wären mit dem 2:1 (0:1) über Werder Bremen alle Abstiegssorgen vorzeitig verflogen, ließen Schalker Fans und Profis ihren Emotionen freien Lauf. Mit dem Last-Minute-Sieg durch zwei Joker-Tore von Sepp van den Berg (81.) und Dominick Drexler (90.+2) kehrte der königsblaue Glaube an den Klassenerhalt zurück.
Auch Trainer Thomas Reis legte seine Zurückhaltung ab und schloss sich der krachenden Party im Ekstase-Modus an. Den großen Respekt vor dem schweren Restprogramm verdrängte er zumindest für kurze Zeit. «Das war pure Erleichterung. In der Situation, in der wir uns befinden, kann so ein Spiel zusätzliche Energie freisetzen», kommentierte der Fußball-Lehrer.
Noch gut 15 Minuten zuvor schien der fünfte Bundesliga-Abstieg der Schalker so gut wie besiegelt. Schließlich war der Rückstand des Tabellenvorletzten auf den Relegationsplatz nach dem zwölften Saisontreffer von Marvin Ducksch (18.), der beim Torjubel mit Bierbechern beworfen wurde, auf satte vier Punkte angewachsen. Doch mit den Einwechslungen der beiden Torschützen van den Berg und Drexler leitete Reis die Wende ein.
Joker stechen
«Manchmal braucht man sicher auch das nötige Quäntchen Glück. Aber das haben wir uns heute auch verdient», sagte Reis voller Freude über den Doppelschlag seiner Joker, schloss aber auch das gesamte Team in sein Lob ein: «In der zweiten Halbzeit war eine andere Energie auf dem Platz. Jeder hat noch eine Schippe draufgelegt.» Ähnlich euphorisch reagierte Offensivspieler Marius Bülter bei Sky: «Solche Siege tun natürlich extrem gut. Wenn man in letzter Minute das entscheidende Tor erzielt, fühlt es sich sehr gut an.»
Reis hofft, dass sein Team auch im kniffligen Saisonendspurt mit Spielen gegen Mainz (A), den FC Bayern (A), Frankfurt (H) und Leipzig (A) eine ähnliche Leidenschaft an den Tag legt, wie in der zweiten Halbzeit gegen Bremen: «Du bist wie ein taumelnder Boxer, aber du bist noch nicht gefallen. Solange ist noch alles drin.» Erschwerend kommt hinzu, dass drei der vier Partien auswärts stattfinden. Doch selbst die jüngste Horrorbilanz der Schalker in der Fremde mit nur einem Sieg in 42 Spielen kann den Coach nicht schrecken: «Jeder sagt, wir haben das schwerste Restprogramm. Aber wir sind schon oft abgeschrieben worden und haben nichts zu verlieren.»
Drexler als Hauptdarsteller
Es passte ins Bild eines denkwürdigen Fußballabends, dass Siegtorschütze Drexler binnen kurzer Zeit in die Rolle des Hauptdarstellers schlüpfte. Nur eine Minute nachdem er sich in höchster Not in einen Schuss von Ducksch geworfen und damit die erneute Bremer Führung verhindert hatte, sorgte er mit seinem Siegtreffer (90.+2) für königsblaue Erlösung. «Am Ende ist mir das Tor lieber als die Rettungstat. Wir mussten das Spiel gewinnen und wussten, was auf dem Spiel stand», sagte der Matchwinner.
Das schnelle Comeback des gemeinsam mit Drexler eingewechselten Sebastian Polter nur dreieinhalb Monate nach dem Anriss des hinteren Kreuzbandes machte das Schalker Glück perfekt. «Viel mehr geht nicht. Für einen Abend wie diesen habe ich in den vergangenen Wochen täglich hart gearbeitet», kommentierte Polter.