Der frühe Bundesliga-Profi und -Trainer Winfried Schäfer sieht den deutschen Fußball auf einem bedenklichen Weg.
«Seit dem Triumph bei der Weltmeisterschaft 2014 haben wir unsere fußballerische Identität verloren. Es hat kein Gegner mehr Angst vor uns», sagte der 73-Jährige der «Rheinischen Post». Er warnte vor einem düsteren Szenario: «Momentan sehe ich schwarz für die EM 2024 im eigenen Land und befürchte, dass es schwer werden wird, sich für die WM 2026 zu qualifizieren.»
Schäfer verwies auf den Sieg der Engländer bei der U21-EM und den angeblich bevorstehenden Transfers des Südkoreaners Min-Jae Kim zum FC Bayern: «Wenn ich sehe, wie das englische Nachwuchsteam spielt, sehe ich viele Tugenden, die früher den deutschen Fußball ausgezeichnet haben – und ich glaube, selbst unser A-Team hätte gegen die jungen Engländer Probleme. Und dass das beste deutsche Team einen Verteidiger aus Korea holt, weil es offenbar auf einer Position, auf der wir immer Weltklasseleute hatten, keine deutsche Alternative gibt, sagt alles über die Entwicklung bei uns.»
Schäfer: «Wir müssen alles hinterfragen»
Der Fußball-Globetrotter mit Nationaltrainer-Stationen in Kamerun, Thailand und Jamaika schloss sich der These des einstigen Weltmeisters Bastian Schweinsteiger an, wonach der frühere Bayern-Coach Pep Guardiola ein Ursprung des deutschen Problems sein könnte: «Schweinsteiger hat recht. Als Guardiola Trainer in München wurde, haben alle, die Trainer und die Medien, seinen Stil gefeiert – und wir haben ihn übernommen. Nach der WM haben wir nur noch versucht, Guardiolas Ansatz zu kopieren. Und haben übersehen, wie er selbst einen Stil weiterentwickelt hat», kommentierte Schäfer und fügte an: «Bei uns wurden nur noch hängende Spitzen ausgebildet, er hat in Bayern den Mittelstürmer Lewandowski geholt.»
Der Trainer-Routinier forderte eine Generalanalyse im Verband, in den Clubs und den Akademien: «Jetzt ist es an uns, dringend über den Tellerrand schauen, was die anderen besser machen vor allem in der Ausbildung. Wir müssen alles hinterfragen, nicht nur die Talent-Situation, sondern vor allem auch die Trainerausbildung. Wir müssen uns fragen, ob die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden.»