Eine Heimat hat Schachtjor Donezk schon lange nicht mehr. Vertrieben aus der eigenen Donbass Arena, Gast in Lemberg, Charkiw und zuletzt in Kiew – seit 2014 ist der zehnmalige ukrainische Meister praktisch auf der Flucht.
Durch den Angriffskrieg Russlands hat sich die Lage nochmals drastisch verschärft. Ein Abend wie das Spiel in der Champions League am 6. September (21.00 Uhr/DAZN) bei RB Leipzig soll für ein wenig Ablenkung sorgen – und steht dennoch ganz im Zeichen des Kampfes. «Wie die Soldaten an der Frontlinie haben wir eine Pflicht gegenüber der Ukraine und diese ist es, Fußball zu spielen», sagte Sportdirektor Darijo Srna.
«Wir werden die Ukraine nicht enttäuschen»
Der langjährige Kapitän von Schachtjor kennt Krieg und Vertreibung von klein auf. Während des Balkankriegs floh seine Familie aus dem Süden Kroatiens in sicherere Gebiete des Landes. «Wir werden der ganzen Welt zeigen, dass wir noch am Leben sind und auf dem Rasen für die Ukraine kämpfen werden», sagte der 40-Jährige. «Es ist die Zeit, zu überleben, wie eine Familie zu sein und etwas Schönes zu schaffen. Wir werden die Ukraine nicht enttäuschen.» Ob das klappt, ist äußerst fraglich.
Denn Schachtjor hat sich verändert. War das Team viele Jahre von brasilianischen Profis geprägt, sind nun nahezu alle ausländischen Profis weg. Im Juli kam Mittelfeldspieler Neven Djurasek neu dazu – wie Neu-Trainer Igor Jovicevic aus Kroatien. Im Angriff stürmt Lassina Traoré aus Burkina Faso, der im vergangenen Sommer von Ajax Amsterdam kam. In der Liga ist man nach drei Spielen noch ungeschlagen, doch das Niveau lässt sich ohne internationale Vergleich kaum einschätzen.
Der Club will die Bühne Champions League natürlich nutzen, um sich für Frieden in der Heimat einzusetzen. Ob Initiativen oder Spendenaktionen stattfinden können, ist noch offen. «Wir haben dieses Thema noch nicht diskutiert. Leider muss man sich bei Champions-League-Spielen ziemlich streng an die von der UEFA vorgegebenen Richtlinien halten, so dass der Spielraum begrenzt ist», sagte der kaufmännische Direktor Dmitry Kirilenko der polnischen Online-Plattform «Sport.Interia».
Logistisch eine Mega-Herausforderung
Um überhaupt in der Königsklasse antreten zu können, nimmt Schachtjor bereits einiges auf sich. Aus dem Exil in Kiew, wo der Club seit 2014 in einem Luxushotel von Präsident Rinat Achmetow untergebracht ist, zog das Team Anfang August nach Warschau. «Die Mannschaft – Spieler, Trainer, medizinisches Personal – wird in Warschau stationiert sein und zu den Ligaspielen in die Ukraine und anschließend zu den Spielen der Champions League zurückreisen. Aber der Verein, das Büro und der Rest der Leute bleiben in Kiew», sagte Kirilenko.
Logistisch ist alles eine Mega-Herausforderung. «Als wir die Entscheidung getroffen haben, haben wir ausgerechnet, wie viele Kilometer das Team zwischen September und November zurücklegen muss. Das sind etwa 8000 bis 10.000 Kilometer. Und das ohne die Auswärtsspiele in der Champions League, die noch vor uns liegen. Wir haben nur Reisen zu Champions-League-Spielen in Warschau und zu Ligaspielen gezählt», erklärte Kirilenko.
Die Entscheidung für Warschau fiel nicht nur aus logistischen Gründen. «Ich denke, das ist die bestmögliche Lösung für uns. Sie liegt ganz in der Nähe der Ukraine, und außerdem leben viele Ukrainer in Warschau», meinte Kirilenko und hofft in der Königsklasse auch auf die Fans von Legia: «Wir wussten, dass Legia eine große Zahl von Fans hat. Meines Wissens haben etwa 9000 Fans Dauerkarten. Es herrscht eine unglaubliche Atmosphäre bei den Spielen.» Im Vertrag steht auch, dass die Tribünen für Legia-Fans geöffnet werden. Dieser Schachzug zahlte sich sofort aus, schon am ersten Tag waren 30 Prozent der Tickets verkauft.