Verletzte Topspieler, WM-Nachwehen, hektische Torwartsuche – der FC Bayern startet mit einer komplizierten Gemengelage ins neue Jahr. Auf Vorstandsboss Oliver Kahn, Sportchef Hasan Salihamidzic und Trainer Julian Nagelsmann kommt einiges an Arbeit zu, um die herausfordernde WM-Saison titelmäßig zu den gewünschten Jubelbildern im Mai und Juni zu steuern.
Am Dienstag beginnt für die Fußball-Profis des Bundesliga-Tabellenführers nach dem Urlaub mit medizinischen Tests und der Leistungsdiagnostik die Winter-Vorbereitung – und das aller Voraussicht nach noch ohne den Torwart-Ersatz für den schwer verletzten Manuel Neuer. Die Lösung der winterlichen Königs-Personalie wird für den deutschen Serienmeister immer mehr zu einer Preis- und Zeitfrage.
Gladbachs Yann Sommer (34) wird inzwischen als erste Option gehandelt, perspektivisch zunächst für die Rückrunde. Aber womöglich auch darüber hinaus, auch wenn Kapitän Neuer (36) nach seinem Beinbruch im Sommer in alter Stärke ins Bayern-Tor zurückkehren will. Von Sportvorstand Salihamidzic, der in der Silvesternacht auch gleich in seinen 46. Geburtstag hineinfeiern konnte, wird möglichst in den kommenden Tagen Vollzug erwartet. Denn Chefcoach Nagelsmann will den neuen Torwart im Trainingslager dabei haben. Am Freitag fliegt der Bayern-Tross nach Katar, die Zeit drängt also. Exakt zwei Wochen blieben Mister X, um sich bis zum ersten Liga-Spiel bei RB Leipzig mit der Bayern-Abwehr einzuspielen.
WM-Nachwehen
Dass Katar wegen des Sponsoring-Vertrages mit Qatar Airways gleich das erste Reiseziel 2023 ist, rückt die Münchner WM-Nachwehen in den Blickpunkt. Für etliche Nationalspieler, vor allem die deutschen um Joshua Kimmich oder Thomas Müller, war die WM ein sportliches Desaster. Hinterlässt das einen Knacks? «Das glaube ich nicht, dass die WM negative Nachwirkungen haben wird», meint Karl-Heinz Rummenigge. Zur Einordnung der aktuellen Bayern-Lage ist der 67-Jährige ein kenntnisreicher Ansprechpartner. Schließlich hatte er den Rekordmeister in seiner Funktion als Vorstandschef zwei Jahrzehnte lang angeführt.
«2018 sind die Spieler mit großer Enttäuschung von der WM in Russland zurückgekommen. Ihren Frust haben sie dann mit großem Ehrgeiz in der Bundesliga kompensiert und sich beim FC Bayern voll reingehängt», erinnerte Rummenigge an die vergleichbare Situation vor vier Jahren. Die Bayern wurden 2019 deutscher Meister und DFB-Pokalsieger.
Rummenigge besorgt mehr die Personalsituation. «Mit Manuel Neuer, Lucas Hernández und Sadio Mané fallen nun erst einmal drei Leistungsträger aus. Ich wünsche mir natürlich für das neue Jahr, dass sich nicht noch weitere Spieler verletzen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Neben Neuer fällt auch Abwehrspieler Hernández (Kreuzbandriss) für den Rest der Saison aus. Und bei Stürmerstar Mané ist offen, wann er nach einer Operation am Wadenbeinköpfchen kurz vor der WM wieder auf Torejagd gehen kann.
Highlight gegen PSG
«Ob Mané rechtzeitig für das Champions-League-Achtelfinale gegen Paris Saint-Germain fit wird, erzieht sich meiner Kenntnis», sagte Rummenigge. Das Hinspiel findet am 14. Februar im Pariser Prinzenpark statt. Der Ausgang dieser prickelnden Kraftprobe könnte für den weiteren Saisonverlauf entscheidend werden. Der Vier-Punkte-Vorsprung in der Bundesliga auf den Überraschungs-Zweiten SC Freiburg biete zwar «die besten Voraussetzungen, dass die Meisterschaft 2023 ebenfalls wieder nach München vergeben wird», sagt Rummenigge: «Aber wir wissen auch, dass in der Champions League der Erwartungshorizont in dieser Saison sehr hoch ist.» Die Bayern wollen diesmal bis zuletzt um den Henkelpott kämpfen.
Das frühe Duell mit dem Pariser Starensemble «könnte auch ein Champions-League-Endspiel sein», wie Rummenigge bemerkte. Beim Münchner Finalsieg 2020 in Lissabon gegen PSG war er noch Bayern-Chef. Rummenigge sieht seine Bayern vor einer riesigen Herausforderung: «Die zwei besten Spieler der WM, Lionel Messi und Kylian Mbappé, spielen für PSG. Messi konnte seine fantastische Karriere mit dem WM-Titel krönen, und Mbappé wurde Torschützenkönig in Katar. Das Offensivpotenzial von Paris ist also à la bonne heure.»
Beeindruckt hat Rummenigge aber auch die herausragende Bayern-Performance in der Phase direkt vor der langen WM-Pause. «Wie die Mannschaft nach den Wochen, in denen sie kein Spiel gewonnen hatte, wieder aufgestanden ist, das hat mir wahrlich imponiert.»
Nagelsmann möchte daran anknüpfen. «Es war ein turbulentes Halbjahr, mit das turbulenteste in meinem Berufsleben bis jetzt», lautete das Zwischenfazit des 35-Jährigen im November. Aufregende und turbulente Zeiten dürfte er auch 2023 als Bayern-Trainer wieder erleben.