Marco Reus hatte endlich wieder Grund zur Freude. Die Sprechchöre von der Gelben Wand bereiteten dem Dortmunder Matchwinner nach wochenlanger Verbannung auf die Ersatzbank besondere Genugtuung.
Zögerlich kam er der Aufforderung der Fans nach, löste sich vor der Südtribüne aus der langen Reihe seiner Mitspieler und ließ sich mit tiefer Verbeugung für seinen Siegtreffer zum 1:0 (0:0) über den VfL Wolfsburg feiern. Beseelt sah der 34-Jährige großzügig über die spielerischen Mängel der Borussia hinweg. «Die vergangenen Wochen waren etwas turbulent bei uns. Es wurde sehr viel geschrieben. Aber heute haben wir eine reife Leistung gezeigt», kommentierte Reus den eigentlich faden Auftritt seines Teams.
Der ehemalige Kapitän ist neben Mats Hummels der vielleicht größte Profiteur des Dortmunder Wackelstarts. Aus Verärgerung über den mutlosen Auftritt seines Teams in der Champions League bei Paris Saint-Germain (0:2) vier Tage zuvor beorderte Trainer Edin Terzic gleich sechs neue Profis in die Startelf – darunter auch Reus. Für den erstmals von Beginn an stürmenden Neuzugang Niclas Füllkrug kam das wenig überraschend: «Das Allerwichtigste ist Leistung, und die haben Mats Hummels und Marco Reus in den letzten beiden Wochen gezeigt. Sie haben bewiesen, dass sie immer noch sehr, sehr gut helfen können.»
Ohne Binde, Ohne Druck
Gut möglich, dass Reus in seinem mutmaßlich letzten BVB-Jahr doch wieder zur Stammkraft wird. Auf der Suche nach kreativen Profis, die das zuletzt ideenlose Angriffsspiel beleben, scheint er derzeit erste Wahl. Schon in den vergangenen beiden Partien in Freiburg und Paris empfahl sich der Edelreservist als Teilzeitkraft für weitere Aufgaben. Die Entscheidung, im Sommer die Kapitänsbinde abzugeben, nimmt dem gebürtigen Dortmunder offenbar viel Druck. «Er hatte sich die Chance verdient, heute von Beginn an zu spielen. Und diese Chance hat er mit einer richtig guten Leistung genutzt. Sein Tor war für uns der wichtigste Moment in diesem Spiel», lobte Terzic.
Zudem zog Reus mit seinem 116. Bundesligatreffer für den BVB in der vereinsinternen Torschützenliste an Lothar Emmerich vorbei und verbesserte sich auf Rang drei. Das dürfte den Kultstatus, den er ohnehin bei vielen Fans genießt, weiter verstärken.
Der dritte Saisonsieg ersparte der Borussia weiteren Frust, konnte aber die Mängel nicht kaschieren. Anders als in vielen anderen Jahren stehen die Dortmunder derzeit nicht für berauschende Spielkunst und große Offensivwucht. «Man sieht, dass wir uns schwertun, dass wir noch nicht im Flow sind. Da geht es nur gemeinsam raus mit harter Arbeit», sagte Reus. Doch auch er sieht noch viel Luft nach oben: «Das heute war in Ordnung. Aber das war noch nicht unser Maßstab.»
Glanzlos zur besten Saisonleistung
Immerhin reagierte das Team im Beisein von Sandro Wagner, dem neuen Co-Trainer der Nationalmannschaft, auf die Schelte nach dem Paris-Spiel und fand zu mehr Stabilität. Das veranlasste Terzic zu einem erstaunlichen Urteil: «Es war unsere beste Leistung in dieser Saison – ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung.»
Der fehlende Glanz verleitete nicht nur Terzic zu einer pragmatischen Sicht der Dinge. Ungeachtet der Mängel verwies Sportdirektor Sebastian Kehl auf die passable Ausgangslage: «Es sind nur zwei Punkte Abstand zum Tabellenführer. Wir sind dran und ungeschlagen.»