Kevin Behrens brüllte seine Meinung einfach hinaus. «Eiskalt der Typ», skandierte der Stürmer des 1. FC Union Berlin, als er in der Interview-Zone hinter Robin Knoche entlanglief.
Knoche selbst lächelte kurz und führte dann ganz ruhig und sachlich weiter aus, wie er den entscheidenden Elfmeter für die Eisernen zum wichtigen 1:0-Sieg im letzten Heimspiel der Gruppenphase in der Europa League gegen Sporting Braga verwandelt hatte. Wieder Knoche, wieder ein Elfmeter, wie zwei Wochen zuvor gegen Malmö FF ein 1:0. Dank Knoche kann Union auf den Einzug in die K.o.-Phase der Europa League hoffen.
Zwischen beiden Europacup-Treffern hat sich das Fußballer-Leben des 30-Jährigen aber in einer entscheidenden Nuance verändert. Seit Dienstag ist bekannt, dass der Abwehrchef der Eisernen auf der vorläufigen WM-Kaderliste von Bundestrainer Hansi Flick steht. Das ist nach seinen Leistungen für den Bundesliga-Spitzenreiter nachvollziehbar, verleiht aber nun jeder seiner Handlungen im Union-Trikot mindestens bis zur Reduzierung des Aufgebots auf die finale 26er-Größe am 10. November eine neue Relevanz.
Sogar der permanent realistische Union-Trainer Urs Fischer setzte sich über die sehr große Wahrscheinlichkeit, dass Knoche letztlich doch nicht nach Katar fliegen wird, mit einer verkappten Werbebotschaft für seinen Leistungsträger hinweg. «Einen sicheren Elfmeterschützen in deiner Mannschaft zu haben, hilft dir», sagte der Schweizer mit einem Grinsen, als er gefragt wurde, ob Knoches erneutes Tor bei Flick Eindruck machen könne.
Knoche redete nach dem Sieg gar nicht über die WM. Dass ihn bereits die Erstauswahl sehr glücklich mache, hatte er schon unter der Woche öffentlich erklärt. Schließlich ist es schon fast acht Jahre her, als er im November 2014 für den angeschlagenen Jérôme Boateng für den Jahresausklang im erfolgreichen WM-Jahr für den Test in Spanien nachnominiert wurde. Eingesetzt wurde der damals 22-Jährige von Ex-Bundestrainer Joachim Löw in Vigo nicht.
In der deutschen Abwehr-Nomenklatura gehört Knoche nicht zu den vier bis fünf besten Innenverteidigern, die nach Katar reisen werden, aber weit dahinter steht er auch nicht. Sein Spiel ist enorm solide, hat aber in der für Flick wichtigen vertikalen Spieleröffnung im Vergleich zu Antonio Rüdiger, Niklas Süle oder Nico Schlotterbeck ziemliche Schwächen.
Im Union-Orbit ist er mit Robustheit und Konsequenz aber ein absoluter Leistungsträger. Er passt in das Köpenicker Gefüge von Spielern, die es anderswo, in seinem Fall beim VfL Wolfsburg, nicht mehr schafften, dafür aber im Südosten Berlins wieder aufblühten. In dieser Saison fehlte er nur in einem von 18 Spielen in drei Wettbewerben. «Von erfahrenen Spielern erwarte ich, dass sie Verantwortung übernehmen, auch in heiklen Situationen. Es war auch heute nicht ganz einfach», sagte Fischer. «Er hat das souverän erledigt.»