An einen entschlossenen Titeljäger erinnerte Marco Rose nicht gerade. Nach 90 Minuten Fußball-Krampf war dem BVB-Chefcoach nicht nach großen Kampfansagen in Richtung FC Bayern, auch wenn der Abstand mit gerade einmal vier Punkten so gering ist wie seit der Hinrunde nicht mehr.
Stattdessen war Rose verdutzt, als er nach dem rumpeligen 1:0 beim FSV Mainz 05 gleich zwei Fragen beantworten sollte: die nach den spielerischen Schwächen seines Teams und die nach dem Meisterschaftskampf. «Eigentlich schließt ja die erste Frage schon die zweite aus», sagte Rose. Die Lacher hatte er auf seiner Seite.
Erneut minimalistisch gewonnen
Minuten zuvor hatten die Jungspunde Erling Haaland, Jude Bellingham und Giovanni Reyna schon eher an eine entschlossene und titelhungrige Bande erinnert, als sie mit erhobenen Armen und lautstark feiernd in Richtung Kurve liefen. Der BVB ist nach zwei minimalistischen Siegen gegen Bielefeld und in Mainz wieder am zuletzt patzenden Rekordchamp dran, sieht aber spielerisch derzeit überhaupt nicht nach einem Titelanwärter aus. «Es gibt immer Tage, an denen du nicht gut spielst. Da muss man als Team zusammenrücken. Der Sieg schmeckt sehr gut», ordnete Emre Can am Mittwochabend ein.
Tatsächlich schleppt der BVB allerhand Probleme in die bevorstehende Länderspielpause, vor der am Sonntag (19.30 Uhr/DAZN) noch ein weiterer Pflichtsieg beim 1. FC Köln gelingen soll. Kapitän Marco Reus und Mats Hummels fehlten zuletzt krankheitsbedingt, Starstürmer Haaland ist nach längerer Pause noch weit weg von seiner Topform. «Er hat 30 und 35 Minuten gespielt, es wird besser und besser», sagte Rose. Man hoffe, dass der 21 Jahre alte Norweger nach der Länderspielpause allmählich wieder richtig in Schwung komme.
So war es symptomatisch, dass der triste und von Hektik zersetzte Kick in Mainz durch ein spätes Standard-Tor von Axel Witsel (87. Minute) entschieden wurde. Herausgespielte Chancen hatte der BVB kaum bis keine. «Wir sind glücklich über den Sieg, auch weil wir den Abstand auf die Teams hinter uns vergrößern konnten», sagte der Matchwinner aus Belgien. Elf Punkte Vorsprung auf Leverkusen und zwölf auf Leipzig sind zwar respektabel. Dortmund wird aber nur noch an den Bayern und am Titel gemessen – und da stehen die Chancen weiter nicht besonders gut.
Im Saisonendspurt Fokus auf die Liga
«Die ganze Nummer ist an uns auch nicht vorbeigegangen», sagte Rose mit Bezug auf Corona und saisonale Erkrankungen. «Ich muss meinem Team auch ein Kompliment machen: das zweite Spiel hintereinander gewonnen und zu null gespielt.» Die Länderspielpause und das unverhofft frühe Aus dürften nun helfen, zumindest personell gut aufgestellt in die finale Saisonphase zu gehen. An Haalands Spritzigkeit und der Rückkehr von Schlüsselspielern wie Reus, Hummels oder Raphael Guerreiro wird Dortmunds Tatkraft als Bayerns einziger Jäger maßgeblich hängen.
Zwei Statistiken sprechen klar gegen die Rose-Elf und für eine große Portion Scheinspannung. Zum einen das direkte Duell, das Ende April in München stattfindet. Die letzten Dortmunder Liga-Resultate in der Allianz Arena sind: 2:4, 0:4, 0:5, 0:6, 1:4 und 1:5. Weniger als vier Gegentore kassierte die Borussia letztmals im November 2014, als man 1:2 verlor. Und: Auch in den beiden vergangenen Spielzeiten 2019/20 (Dortmund) und 2020/21 (Leipzig) gab es nach 26 Spieltagen jeweils einen Bayern-Verfolger mit vier Zählern Rückstand. Am Ende triumphierten die Münchner in beiden Spielzeiten mit einem sehr komfortablen Vorsprung von 13 Punkten.