Bernd Neuendorf klopfte Hans-Joachim Watzke gratulierend auf die Schulter und winkte nach der eigenen erfolgreichen Wahl erfreut in Richtung von UEFA-Chef Aleksander Ceferin.
Nachdem die beiden deutschen Spitzenfunktionäre der scharfen Warnung von Ceferin vor einer Super League gelauscht hatten, stiegen sie beim Kongress der Europäischen Fußball-Union in Lissabon per Kür durch Applaus in die internationalen Entscheiderzirkel auf. «Ein wichtiges Signal», sagte DFB-Präsident Neuendorf nach seiner Berufung ins Council des Weltverbands FIFA.
Beide sprachen von «Demut» in den neuen Ämtern mit unterschiedlichen Herausforderungen. Neuendorf muss sich auch zum Wohle der deutschen Bewerbung um die Frauen-WM 2027 mit FIFA-Präsident Gianni Infantino auseinandersetzen, Watzke will sich insbesondere auf die finanziellen «Auswüchse» im europäischen Club-Fußball konzentrieren. «Da sollten wir schon ein waches Auge drauf haben», sagte der DFL-Aufsichtsratschef.
Klaveness verpasst Einzug ins UEFA-Exko
Mit Ausnahme der Wahl der Engländerin Debbie Hewitt zur britischen FIFA-Vizepräsidentin – sie setzte sich als erste Frau bei einer UEFA-Wahl gegen einen Mann durch – blieb der Kongress wie erwartet Männersache. Die Norwegerin Lise Klaveness, die sich als kritische Stimme im Weltfußball hervorgetan hatte, verpasste den Einzug ins UEFA-Exko.
«Ein bisschen mehr Frauenanteil» habe er sich schon gewünscht, sagte Neuendorf. «Aber die Wahl ist abgelaufen, und jetzt muss man damit umgehen.» Ceferin verwies auf eine demokratische Wahl – und berief die Waliserin Laura McAllister zu einer Stellvertreterin von ihm. Sie wird die erste UEFA-Vizepräsidentin der Geschichte.
Ceferin: Kampf gegen Super League
Kurz vor seiner Wiederwahl als Kontinentalverbandschef per Akklamation schwor Ceferin alle europäischen Vertreter im Centro de Congressos für den Kampf gegen einen gemeinsamen Widersacher ein. «In wenigen Monaten hat sich die Super League in einen Charakter aus Rotkäppchen verwandelt: einen Wolf getarnt als Großmutter, bereit, dich aufzufressen», sagte der 55-Jährige in der Halle am Fuße der ikonischen Brücke des 25. April. «Aber niemand lässt sich täuschen.»
Die Gründer der einst krachend gescheiterten Super League – der FC Barcelona, Real Madrid und Juventus Turin – nehmen aktuell einen neuen Anlauf, ein Konkurrenzprodukt zu den UEFA-Wettbewerben zu etablieren. Auch der Europäische Gerichtshof ist eingeschaltet, der weiterhin prüft, ob das UEFA-Modell mit EU-Recht vereinbar ist. Ceferin sprach von «Zynismus gegen Moral. Egoismus gegen Solidarität. Gier gegen Wohlwollen» und dankte Europas Regierungen für ihre Unterstützung.
Er erneute seine Warnung an möglicherweise abtrünnige Clubs: «Wer immer seinen eigenen Wettbewerb ausrichten will, kann dies tun. Dann kann er aber nicht mehr an unseren Wettbewerben teilnehmen», betonte Ceferin.
So wie FIFA-Präsident Gianni Infantino vor drei Wochen beim Kongress des Weltverbands in Kigali musste sich auch Ceferin bei seiner eigenen Wiederwahl keinem Gegenkandidaten stellen und geht nun in seine dritte Amtszeit. «Das bedeutet mir sehr viel. Das ist eine große Ehre, aber vor allem ist es eine große, große Verantwortung», sagte er. Mehr als eine Stunde nach dem 35-sekündigen Applaus der Delegierten für den Slowenen wurden auch Neuendorf und Watzke per Akklamation berufen.
DFB kritisiert Informationspolitik der FIFA
Die beiden deutschen Spitzenfunktionäre vollenden jeweils die letzten zwei Jahre der Amtszeit ihrer Vorgänger, die sich in Abstimmung mit dem Deutschen Fußball-Bund von den Posten zurückgezogen hatten. Rainer Koch saß zuvor in der UEFA-Exekutive, Peter Peters im FIFA-Council. Nach turbulenten Jahren mit Rückzügen und Rücktritten des Top-Personals will der deutsche Fußball die Zeit der Unstetigkeit auf internationaler Bühne hinter sich lassen.
Bei der WM Ende 2022 in Katar hatte es deutliche Verstimmungen zwischen dem DFB und FIFA-Präsident Gianni Infantino gegeben, Neuendorf hatte von «Opposition zur FIFA» gesprochen, der auch Klaveness angehört. Beim FIFA-Kongress verweigerte der DFB dem Schweizer zudem die Unterstützung bei dessen Wiederwahl. Ein Kritikpunkt des deutschen Verbands war zuletzt auch die Informationspolitik der FIFA – unter anderem zu Menschenrechtsfragen.
Watzke ist neben Karl-Heinz Rummenigge der zweite deutsche Funktionär im UEFA-Exekutivkomitee. Der frühere Vorstandschef des FC Bayern sitzt als Vertreter der Europäischen Club-Vereinigung ECA in dem Gremium. Watzke, der zugleich auch Vorsitzender der Geschäftsführung von Borussia Dortmund ist, kündigte an, seinen Platz im ECA-Vorstand spätestens bei den ECA-Wahlen im September abzugeben. Wenn es nach ihm ginge, auch «eher», sagte er.