Thomas Müller saß im Raum Elite des Bayern-Teamhotels auf einem Polstersessel und sprach 30 Minuten lang über die WM, die Nationalmannschaft, den FC Bayern und seine Neujahrswünsche: Eine Breaking News verkündete er aber nicht.
Unweit des Khalifa-Stadions, in dem das deutsche WM-Desaster mit ihm in der Startelf beim 1:2 gegen Japan Ende November begonnen hatte, erklärte der Weltmeister von 2014 nicht seinen Rücktritt nach 121 Länderspielen. Der 33 Jahre alte Angreifer legte vielmehr seine DFB-Zukunft ganz in die Hände von Bundestrainer Hansi Flick.
«Solange ich Profifußballer bin, werde ich immer zur Verfügung stehen in der Nationalmannschaft, wenn ich gebraucht werde», sagte Müller im Trainingslager seines Clubs in Doha: «Das Wann, das Ob und das Wie – das muss natürlich der Bundestrainer entscheiden.» Eine erste, aber womöglich noch nicht endgültige Antwort von Flick könnte es im März geben, wenn der trotz des Vorrunden-Aus vom DFB im Amt bestätigte Bundestrainer seinen Kader für die ersten Länderspiele 2023 bekannt gibt. Datum, Ort und Gegner der Testspiele stehen noch nicht fest.
Er wollte seine DFB-Karriere nicht «künstlich» stoppen, betonte Müller. «Falls ich nicht nominiert werde, obwohl ich es wollen würde, damit kann ich umgehen.» Nach dem nutzlosen 4:2 der DFB-Elf im letzten WM-Gruppenspiel gegen Costa Rica hatte Müller live im Fernsehen eine vermeintliche Abschiedsrede an die deutschen Fans gehalten. «Ich war nach dem Spiel sehr emotional», sagte er nun rückblickend.
Müller zur Heim-EM 2024?
Noch im Al-Bayt-Stadion hatte er damals nach dem Duschen angekündigt, sich doch erst intensiv mit Ehefrau Lisa und auch Flick zu beraten. Ergebnis dieser Gespräche: Müller ist noch nicht fertig mit dem Nationalteam. Am Horizont leuchtete sogar die Heim-Europameisterschaft in anderthalb Jahren auf. Ein Turnier im eigenen Land – das wäre sogar für Müller ein Novum: «Wenn ich im Frühjahr 2024 eine top Performance abliefere – why not?», sagte Müller am WM-Unfallort Katar.
Topleistung abliefern! Das ist die Motivation, das ist der Anspruch, der Müller anstachelt. Und das nach einer ersten Saisonhälfte, die für ihn nicht nur mit einer miesen WM endete, sondern schon davor im Bayern-Trikot gar nicht rund lief. Gesundheitliche Probleme bremsten den Vielspieler aus. Die Bayern legten im Herbst weitgehend ohne ihn eine beeindruckende Siegesserie hin.
Müller denkt darum im Bayern-Wintercamp nicht an künftige Länderspiele, sondern er kämpft auf dem Trainingsplatz um Status und Position im Münchner Meisterteam. «Ich komme aus einer Phase, in der ich länger verletzt war als zumeist in meiner Karriere. Wir haben ein tolles Team hier, große Ziele. Deswegen ist mein Fokus jetzt, auf dem Platz zu stehen, Tore zu erzielen, Tore vorzubereiten, Spiele zu gewinnen.» Müller strebt mit Bayern sein drittes Triple neben 2013 und 2020 an.
Welche Position nimmt Müller bei den Bayern ein?
Die Frage vor der Saisonfortsetzung lautet auch in München: Wohin mit Müller? «Müller spielt immer» – diese alte Louis-van-Gaal-Spruch muss nicht mehr gelten. Müller muss um seinen Stammplatz kämpfen. Die direkten Konkurrenten sind Youngster Jamal Musiala (19) auf der Zehner-Position sowie Eric Maxim Choupo-Moting (33), der sich als Mittelstürmer mit Toren in die erste Elf spielen konnte.
In der stark besetzten Münchner Offensive plant Trainer Julian Nagelsmann mit Müller «auf einer der beiden Positionen vorne, Zehner oder Spitze», wie er in Doha sagte. «Grundsätzlich kann Thomas mehrere Positionen spielen, aber die zentraleren liegen ihm am meisten. Da ist er sehr kreativ, was das in Szene setzen von Spielern angeht.» Müller stimmte seinem Trainer am Montag zu. «Ich fühle mich in der Mitte gut aufgehoben. Im Halbraum, in der Box, sind meine Stärken.»
Motivation zieht er für sich auch aus dem WM-Aus, das «extrem wehgetan» habe. «Du musst damit umgehen. Und das Wichtigste ist, dass du diesen Frust und Schmerz umwandelst in Energie.» Müllers Energielevel ist weiter sehr hoch. Das sieht man in jedem Training in Doha, auch wenn sein Rücken gerade etwas zwicke.
Nach nur 14 Einsätzen in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League stehen bescheidene drei Tore und sechs Vorlagen in seiner Saisonbilanz. Trotzdem sagt Nagelsmann: «Thomas ist ein bedeutender Spieler für Bayern, ein bedeutender Spieler für mich. Er hat außergewöhnliche Fähigkeiten, gerade was Assists angeht, was auch die eine oder andere unkonventionelle Aktion im Strafraum angeht.»
Vorne drin aber hat es Choupo-Moting «sehr gut gemacht», wie Nagelsmann hervorhob. Und Musiala spiele «eine herausragende Saison», wie der Trainer lobte: «Jamal hat auch eine sehr gute WM mit einer sehr schlechten Quote gespielt.» Müller spielte ein schlechtes Turnier mit einer sehr schlechten Quote. Was 2022 war, will Müller nun aber «abhaken». 2023 solle es wieder müllern wie einst.