Sportdirektor Sven Mislintat ist weg, der Cheftrainer noch nicht gefunden: Inmitten der sportlichen Abstiegsnot ist es mit der einst angestrebten Kontinuität beim VfB Stuttgart endgültig vorbei.
Mit der Trennung von Mislintat steht der schwäbische Fußball-Bundesligist vor einem weitreichenden Neuanfang und sucht neben dem künftigen Chefcoach nun auch einen neuen Sportdirektor. Die zentralen Führungspositionen sollen bis zum Trainingsauftakt am 12. Dezember besetzt werden, kündigte der VfB an. Neben einem Mislintat-Nachfolger muss auch geklärt werden, ob Interimscoach Michael Wimmer weitermachen darf – oder nicht.
Labbadia im Anflug?
«Ich denke schon, dass man sich nach einem neuen Trainer von außen umsehen muss», sagte der frühere Nationalspieler Karl-Heinz Förster der Deutschen Presse-Agentur. Nach einem Bericht des Portals «t-online» soll Bruno Labbadia Nachfolger des vor mehreren Wochen entlassenen Pellegrino Matarazzo werden – Wimmer soll wieder in die zweite Reihe rücken. Von den Stuttgartern gab es keine Bestätigung für die Personalie, der Club wollte den Bericht nicht kommentieren.
Die Trennung von Mislintat ist für Förster nachvollziehbar. «Es war jetzt schon so, dass sich die Mannschaft in den letzten zwei Jahren nicht weiterentwickelt hat», sagte der Europameister von 1980. «Irgendwann muss sich auch mal der Sportdirektor an den Ergebnissen messen lassen», erklärte der 64-Jährige. «Die sportliche Situation hat er mitzuverantworten.» Der VfB steht als auf dem Abstiegsrelegationsplatz.
Die Gespräche mit Mislintat hatten sich gezogen, ein Abschied hatte sich allerdings seit Längerem angedeutet. Der noch bis zum 30. Juni 2023 laufende Vertrag wurde nun mit sofortiger Wirkung aufgelöst. «Ein aus Sicht des VfB absolut marktgerechtes Angebot» habe der 50-Jährige, einst bei den glamouröseren Clubs Borussia Dortmund und FC Arsenal angestellt, nicht angenommen. «Die Verhandlungen jetzt zu beenden, ist eine gemeinsame Entscheidung aller Verantwortlichen», sagte der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle.
Sky: Mislintat bei Liverpool im Gespräch
Mislintat könnte laut Medienberichten zufolge in der englischen Premier League einen neuen Job finden. Wie Sky Sport berichtete, ist er beim FC Liverpool, dem Club von Trainer Jürgen Klopp, im Gespräch.
Wehrles Vorgänger Thomas Hitzlsperger hatte Mislintat im Frühjahr 2019 zum VfB gelockt. Mit ihm und dem im Oktober freigestellten Trainer Matarazzo hatte Mislintat einst ein erfolgreiches Trio gebildet. Dass ihm seine weitreichenden Kompetenzen, die ihm Hitzlsperger gestattet hatte, wichtig sind, hatte Mislintat nicht verheimlicht. Der Verantwortungsbereich dürfte nun ein zentraler Faktor dafür gewesen sein, dass sich der gebürtige Dortmunder nach «mehrtägigen» Gesprächen mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat verabschiedet.
Noch während der Verhandlungen musste sich Mislintat gefallen lassen, dass Hannovers Sportdirektor Marcus Mann und Greuther Fürths Geschäftsführer Rachid Azzouzi als potenzielle Nachfolger gehandelt wurden und werden. «Wir haben in unseren Gesprächen keinen gemeinsamen Nenner für eine Fortsetzung meiner Tätigkeit beim VfB gefunden», ließ sich Mislintat zitieren: «Ich bedauere das sehr, weil mir der VfB in den vergangenen Jahren zu einer echten Herzensangelegenheit geworden ist, und ich gerne weiter meinen Teil zu einer positiven Entwicklung dieses großen Vereins beigetragen hätte.»
Das von Mislintat zusammengestellte Team der Schwaben entwickelte sich nach der Rettung vor dem nächsten Abstieg am letzten Spieltag der vergangenen Saison allerdings in den vergangenen Monaten nicht wie erhofft. Seine Transferpolitik wurde zuletzt kritischer betrachtet, als es Mislintat lange beim VfB gewohnt war. Bei vielen Fans erfreute er sich dennoch trotz der schwierigen sportlichen Situation großer Popularität.
Das Verhältnis zu Wehrle galt dagegen als belastet, seitdem der Vorstandsvorsitzende den sportlichen Bereich ohne Rücksprache breiter aufgestellt und die Ex-Weltmeister Sami Khedira und Philipp Lahm als Ratgeber geholt hatte. Der frühere VfB-Kapitän Christian Gentner soll vom 1. Januar 2023 an als Leiter der Lizenzspielerabteilung anfangen.
Die Zeit drängt beim Tabellen-16.. Matarazzo war bereits vor gut sieben Wochen darüber gestolpert, dass der VfB in dieser Saison so lange wie noch nie auf den ersten Sieg warten musste. Interimstrainer Michael Wimmer hatte vor der WM-Pause für sechs Bundesliga-Spiele übernommen, davon die drei Heimspiele gewonnen und ist nun einer der Kandidaten. Früh gehandelt wurden zudem der vereinslose Jess Thorup und Alfred Schreuder von Ajax Amsterdam – nun könnte Bruno Labbadia das Rennen gemacht haben.