Lionel Messi ballte die Fäuste in den Nachthimmel von Katar, umarmte jeden Mitspieler einzeln und sang mit einem Strahlen der Erlösung im verschwitzten Gesicht «Oh Argentina». Nach dem erlösenden 2:0 (0:0) im zweiten WM-Spiel gegen Mexiko tanzte der 35 Jahre alte Superstar mit seinen Teamkollegen vor der tobenden himmelblau-weißen Fan-Wand.
«Gott sei Dank! Wir wussten, dass wir stark sein mussten heute», sagte Messi nach der Partie. «Es war ein sehr schwieriges Spiel. In der ersten Halbzeit haben wir nicht so gespielt, wie wir es wollten. In der zweiten Halbzeit haben wir uns gesteigert, die Fans haben uns bis zum Ende getragen. Wir haben jetzt ein Finale», sagte Messi mit Blick auf das Duell gegen Polen und Stürmer Robert Lewandowski am Mittwoch.
Messi war nach dem peinlichen Fehlstart gegen Saudi-Arabien gefordert – und er lieferte. Mit seinem Treffer in der 64. Minute brachte er die Argentinier auf die Siegerstraße. «Er macht, was er macht. Tore schießen», sagte Trainer Lionel Scaloni. Enzo Fernández machte in der 87. Minute alles klar für Messi und Co., die bei einer Niederlage bereits ausgeschieden gewesen wären. Nun haben sie das Weiterkommen wieder in der eigenen Hand. Für Messi war es der zweite Treffer im laufenden Turnier.
Lob vom Ex-Coach
«Er kann dir in wenigen Sekunden weh tun», konstatierte Mexikos Trainer Gerardo Martino: «Wir haben einen Fehler gemacht und ihm zu viel Platz gelassen.» Martino muss es wissen. Der 60-Jährige trainierte Messi einst beim FC Barcelona und in der Nationalmannschaft, er kommt wie Messi aus Rosario in Argentinien.
Bei der WM kommt es nun zum ultimativen Showdown mit Polen am letzten Gruppen-Spieltag. Die Osteuropäer um den aktuellen Barça-Star Lewandowski haben vier Punkte, Argentinien und Saudi-Arabien drei, Mexiko bleibt bei einem. Zuvor hatten die Polen sich mit 2:0 gegen die Saudis durchgesetzt und die Gruppe spannend gemacht.
Einen Tag nach der kollektiven Trauer der Argentinier zum zweiten Todestag von Diego Maradona musste Messi, sein sportlicher Erbe, es richten. Bei der Hymne rückten die Argentinier demonstrativ eng zusammen, Messi atmete noch mal tief durch vor seinem 21. WM-Spiel – so viele wie Maradona einst absolvierte, darunter auch das siegreiche WM-Finale 1986. Beide kommen nun auch auf acht WM-Tore.
Endspielatmosphäre auf den Rängen
Ins Finale 2022 will Messi. Und es herrschte schon Endspielatmosphäre im ausverkauften und lauten Lusail-Stadion vor 88.966 Zuschauern. Nicht nur, weil es für Messi und seine Argentinier schon um alles oder nichts im zweiten Gruppenspiel ging. Zehntausende argentinische Fans gegen Zehntausende aus Mexiko, das befeuerte auch das hitzige Duell auf dem Rasen, das lange Zeit kein Fußballschmaus war.
Nach nicht mal fünf Minuten die erste Rangelei: Ausgelöst durch einen Ellbogencheck von Alexis Vega gegen Gonzalo Montiel, einen der fünf neuen Spieler, die Scaloni vier Tage nach der blamablen 1:2-Pleite gegen Außenseiter Saudi-Arabien in die Startaufstellung genommen hatte – praktisch alle im defensiven Bereich. Safety first – und vorne sollte es Messi richten.
Der Bewegungsradius des 35-Jährigen war zunächst überschaubar. Am Dienstag hatte er die bis dahin in 36 Spielen ungeschlagenen Argentinier per Elfmeter mit seinem siebten WM-Tor in der 10. Minute in Führung gebracht. Diesmal ließ die erste Torchance trotz massiver Ballbesitzvorteile der Argentinier auf sich warten. In der 25. Minute zog Messi kurz das Tempo an. Die anschließende Flanke von Montiel war aber zu ungenau.
Ein eher seltener Kopfball von Messi wenige Minuten später ging deutlich übers Tor, einen Freistoß-Schlenzer faustete Guillermo Ochoa in den katarischen Nachthimmel.
Wenig Chancen
Mit einem Fünfer-Riegel wollte Mexiko die Argentinier fern vom eigenen Tor halten. Und den Spielfluss brachen sie mit permanenten Zweikämpfen, mit den Regeln nahmen sie es dabei wie auch die Argentinier nicht so genau. Erfolg hatten sie damit, noch eine Chance durch Lautaro Martínez, mehr brachten die Argentinier zunächst nicht zustande. Trainer Scaloni drohte zu verzweifeln, gestikulierte immer wieder wild an der Seitenlinie.
Mexiko spürte das, Martino wusste das, er trainierte die Auswahl vom Sommer 2014 an zwei Jahre. Für sein Engagement bei den Mexikanern wurde er vor der Partie von den Fans der Südamerikaner ausgepfiffen. Den Atem anhalten mussten sie dann kurz vor der Pause: Bei einem Freistoß von Mexikos Vega lag Keeper Emiliano Martínez quer in der Luft.
Gegen die Saudis kassierten die Argentinier binnen weniger Minuten die Gegentore, diesmal hielten sie sich schadlos, überzeugend agierten sie aber wieder nicht. Und dann ein Freistoß, Messi wurde gefoult. Ideale Position: Halbrechts, 18 Meter Torentfernung, aber der Ball ging drüber. Messi beugte sich nach vorn, stützte sich mit den Händen ab. Wieder nichts. Resignation? Nein.
Messi bricht den Bann
Messi ließ sich nach dem Seitenwechsel etwas weiter zurückfallen. Seine Stärke: den Ball bekommen, schnell handeln. Das Spiel der Argentinier wurde gefährlicher. Und einmal gewährten die sonst so konsequent verteidigenden Mexikaner Messi mehr Platz als sie es hätten machen sollen – das reichte.
Gut 20 Meter vor dem Tor nahm er den Ball an, legte ihn sich einmal kurz vor und traf zum 1:0 flach ins rechte Eck. Ochoa war machtlos, Messi drehte jubelnd ab und ließ sich unter dem ohrenbetäubenden Jubel der Fans feiern. Mexiko versuchte nun noch einmal alles, Martino wechselte offensiv. Ein Tor gelang aber nicht mehr, dafür schlug Fernández zu. «Es herrscht Euphorie. Das war notwendig», sagte Messi.