Monatelang war Martina Voss-Tecklenburg abgetaucht, jetzt spricht die Ex-Bundestrainerin der deutschen Fußballerinnen emotional und durchaus selbstkritisch erstmals über ihre Erkrankung – und ihre Fehler.
Ein Gefühl von Druck auf der Brust, Panikattacken und Schlaflosigkeit seien die Folge des WM-Debakels und dessen Aufarbeitung gewesen, sagte die 55-Jährige in einem ZDF-Interview: «Ich bin dann quasi komplett zusammengebrochen.»
Die Ängste, die Unsicherheit und die Leere in ihrem Kopf seien immer stärker geworden – fast so, «als hätte man mir den Stecker gezogen». Der Deutsche Fußball-Bund hatte Anfang September bekannt gegeben, dass Voss-Tecklenburg erkrankt sei. Nach einer langen Hängepartie setzte der DFB Horst Hrubesch dann als Interimstrainer für die deutschen Frauen ein, die bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland in der Vorrunde gescheitert waren – ein Jahr nach dem starken Auftritt bei der Europameisterschaft in England und dem nur knapp verpassten Titel.
Vertrag aufgelöst
Den bis 2025 laufenden Vertrag mit Voss-Tecklenburg hatte der DFB Anfang des Monats aufgelöst. In der Amtszeit der früheren Nationalspielerin seien «im Bereich des Frauenfußballs wichtige Impulse gesetzt» worden, erklärte Verbandsboss Bernd Neuendorf in einem kurzen Statement.
Voss-Tecklenburg hatte abgesehen von dem WM-Debakel des Turniermitfavoriten zuletzt auch Kritik auf sich gezogen, weil sie zwei Vorträge hielt, obwohl sie zu jenem Zeitpunkt vom DFB noch nicht wieder als gesund gemeldet worden war. «Ich habe dann die öffentlichen Auftritte gemacht. Im Nachhinein kann man sagen: Wie dumm – Fehler», sagte Voss-Tecklenburg nun.
Sie habe Erholungsurlaub und den Resturlaub des Jahres genommen, «um komplett gesund zu werden, diese Wochen einfach noch mal zu nutzen, zurückzukommen, wieder am Leben teilnehmen zu können». Eine gemeinschaftliche Presseerklärung sei damals aus unterschiedlichen Gründen nicht zustande gekommen.
«Ich war krank»
«Ich war krank und ich wusste auch nicht, wie lang geht dieser Prozess. Ich habe gemerkt, ich muss jetzt nur für mich da sein», sagte Voss-Tecklenburg in dem Interview über die Zeit davor. Sie habe gemerkt: «Der Kopf ist leer. Ich bin nur am Weinen. Ich bin nicht in der Lage, konstruktiv zu denken.» Der Rat ihres Arztes sei klar gewesen: Sich erst mal rauszuziehen, um die Gefahr von depressiven Schüben zu minimieren.
«Mir ging es nicht gut. Mir ging es vor der WM schon nicht gut», sagte Voss-Tecklenburg. Schon in den Testspielen vor Australien hatten die Vize-Europameisterinnen geschwächelt. Nach dem WM-Aus habe sie versucht, die Spielerinnen wieder aufzurichten, ihnen Mut zu machen. «Alle haben irgendwie versucht, ein Stück weit auch zu funktionieren, ihrer Aufgabe gerecht zu werden.» Aber die Stimmung sei natürlich extrem bedrückend gewesen, sagte Voss-Tecklenburg.
Spielerinnen schweigen
Das habe sich auch zu Hause nicht geändert. Nach mehreren Treffen mit dem Trainerstab habe in ihr der Gedanke genagt, ob sie noch die Richtige für das Amt sei – «als Trainerin, als Person, als Mensch.» Intern und auch öffentlich hatte es Kritik an Voss-Tecklenburg gegeben. Von den Spielerinnen um Kapitänin Alexandra Popp machte sich öffentlich zuletzt keine mehr für eine Rückkehr der einstigen Bundestrainerin stark.
Der Rückblick auf die verpatzte Weltmeisterschaft wird die Nationalspielerinnen und deren Fans auch rund um das so wichtige Länderspiel am 1. Dezember in Rostock gegen Dänemark begleiten, wo es um die Olympia-Qualifikation für Paris 2024 geht. Am selben Tag erscheint im ZDF die neue Dokumentation «Born for this» über die DFB-Frauen mit dem Schwerpunkt WM.