Martin Kind hat den vom Deutschen Fußball-Bund eingesetzten externen Beraterkreis generell gelobt, aber die Zusammensetzung kritisiert.
«Das Expertengremium ist vom Grundsatz zu begrüßen. Die Zeit bis zur EM ist aber eigentlich viel zu kurz, um Strukturdebatten zu führen», sagte der 78 Jahre alte Mehrheitsgesellschafter von Hannover 96 der Deutschen Presse-Agentur. Nun gehe es vordergründig darum, sich sportlich auf die Europameisterschaft 2024 in Deutschland vorzubereiten.
Wenn man über den Strukturwandel und den Beraterkreis diskutiere, dann müsste laut Kind «eine andere Zusammensetzung erfolgen»: «Es reicht nicht, nur Fußballfunktionäre einzubinden. Wir brauchen neue, kreative, veränderungswillige Leute, die nicht durch den Fußball vorbelastet sind. Wir sollten nicht immer im eigenen Saft braten. Es bräuchte vermutlich externe Berater, auch qualifizierte Frauen, die mitwirken.» Die Strukturdiskussion müsse aber nach der EM erfolgen.
Kind spricht von «Gesamtentfremdung»
Nach dem Aus der deutschen Nationalmannschaft in der Gruppenphase bei der WM in Katar hat ein externer DFB-Beraterkreis – unter anderem besetzt mit Karl-Heinz Rummenigge und Matthias Sammer – am Donnerstag die Arbeit aufgenommen und unter anderem über Pläne gesprochen, wie die EM im eigenen Land wieder erfolgreich gestaltet werden kann.
Kind sieht eine «Gesamtentfremdung der Verbände und der Nationalmannschaft von den Fans mit zu viel Nebenkriegsschauplätzen» und zu wenig Konzentration auf dem Fußballsport. «Wenn ich die WM beobachte, dann sehe ich, dass gerade in anderen Ländern die Identität mit den Nationalmannschaften oft sehr ausgeprägt, sehr emotional und sehr unterstützend ist. Das haben wir nicht.» Hinter dieser Entfremdung vermute Kind auch gesellschaftliche Probleme in Deutschland, die auf das DFB-Team übergreifen würden.
«Unsere Kurve» übt scharfe Kritik
Auch das Fanbündnis «Unsere Kurve» übt scharfe Kritik am DFB für die Zusammenstellung des Expertenrats. «Es ist absurd, das immer die Gleichen zu den gleichen Themen sprechen und man dann andere Ergebnisse erwartet. Wie soll mit diesem Vorgehen etwas Neues, etwas Innovatives entstehen?», sagte Sprecherin Helen Breit der Deutschen Presse-Agentur. «Es wäre der ideale Zeitpunkt gewesen, um zu zeigen, dass der DFB das Grundlegende verstanden hat: Dass er aufhören muss, um sich selbst zu kreisen.»
«Mir fehlt die Vorstellungskraft, dass in dieser Konstellation ein erfrischender, nachhaltiger, basisnaher und zukunftsfähiger Strukturwandel gelingen kann», sagte Breit. Schon länger wird der Nationalelf neben fehlendem sportlichem Erfolg auch fehlende Nähe zur Basis vorgeworfen.
«Ich war bereits 2019 vom DFB zu einem Think Tank zur deutschen Nationalmannschaft eingeladen», sagte Breit. Bereits damals habe dem Verband der Rückgang an Zuschauern und Zuschauerinnen Sorgen gemacht. «Das Feedback von uns damals zusammengefasst: Überkommerzialisierung, eine über Jahre fortschreitende Distanzierung von Fans sowie eine hartnäckige Unfähigkeit zur Selbstkritik.»
Schon damals sei für das Fanbündnis klar gewesen, dass es einen radikalen Wandel brauche. «Will man eine junge Generation für die Nationalmannschaft begeistern, sollte man auf fankulturelle Freiräume, auf Begegnungsmöglichkeiten und Partizipation setzen. Außerdem müssen die Menschenrechte ein unumstößliches Fundament bilden», sagte Breit.