Ohne Männerclubs nicht mehr machbar? Am kommenden Wochenende könnten die Fußballerinnen des einst so ruhmreichen 1. FFC Turbine Potsdam aus der Bundesliga absteigen. Ein Absturz mit Ansage: Für Frauenvereine, die keinen großen Proficlub im Rücken haben, wird es im Oberhaus immer schwieriger.
Derweil protegieren – auch als Folge der EM-Euphorie um das deutsche Nationalteam vom Sommer 2022 – immer mehr Männer-Erst- und Zweitligisten Frauenteams. Und das müssen sie nach einer Vorgabe der Deutschen Fußball Liga künftig auch.
Von der kommenden Saison an greift nämlich ein Paragraf in der DFL-Lizenzierungsordnung, wonach ein Profiverein den Frauenfußball fördern muss – indem er «eine Frauen- und/oder Mädchenmannschaft zu offiziellen Wettbewerben anmeldet oder eine Kooperationsvereinbarung mit einem Fußballclub abschließt». Traditionsclubs wie der FC Schalke 04 und Borussia Dortmund haben erst vor wenigen Jahren ganz unten in der Kreisliga angefangen. Andere wie der FSV Mainz 05, der VfB Stuttgart und Hertha BSC fanden den Einstieg über Kooperationen vor Ort.
Fakt ist, dass Top-Bedingungen – wie es der VfL Wolfsburg und der FC Bayern als einzige Titelkandidaten der vergangenen Jahre vormachen – nur noch unter dem Dach eines Männer-Bundesligisten gewährleistet sind. Zumal die Frauen-Bundesligisten in der Saison 2021/22 durchschnittlich ein Minus von knapp 1,5 Millionen Euro geschrieben haben, das von einem großen Club locker ausgeglichen werden kann. Mittlerweile sehen es praktisch alle großen Vereine als gesellschaftlich und sportlich relevant an, sich bei den Fußballerinnen zu engagieren – und als vielversprechende Investition angesichts des Booms der langjährigen Schatten-Sportart.
Voss-Tecklenburg: Wird schwer für reine Frauenfußball-Vereine
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sieht den Trend durch die Entwicklung bei Turbine Potsdam bestätigt. «Das wäre natürlich ein Verlust, weil Potsdam den Frauenfußball extrem geprägt und für internationale Erfolge gesorgt hat», sagte die 55-Jährige der Deutschen Presse-Agentur zum kaum abwendbaren Abstieg des Champions-League-Siegers von 2005 und 2010, sechsmaligen DDR- und deutschen Meisters aus Brandenburg. Das Turbine-Team steht mit acht Punkten abgeschlagen am Tabellenende.
In der nächsten Saison wäre die SGS Essen, die zahlreiche Nationalspielerinnen hervorgebracht hat, der einzige reine Frauenverein unter zwölf Erstligisten. «Es wird schwer für die reinen Frauenfußball-Vereine, wenn die Infrastruktur da nicht so wachsen kann und die Spielerinnen sich dann vielleicht anders orientieren», sagte Voss-Tecklenburg.
In die Bundesliga aufgestiegen ist RB Leipzig, das mit seinen Möglichkeiten als potenzielles Spitzenteam gilt. Ohne die Männer-Lizenzvereine und den Deutschen Fußball-Bund, so RB-Sportchefin Viola Odebrecht, «wären wir noch nicht da, wo wir jetzt sind. Es ist gut, dass sie die Unterstützung leisten, die der Sport verdient hat und es nicht nur als Nebenprodukt sehen».
Bei Schalke ist Sportvorstand Peter Knäbel «für Evolution und nicht für Revolution. Wir sagen nicht, dass wir möglichst schnell in die Bundesliga müssen. Wir wollen auch die anderen Vereine in unserer Region mitnehmen und den Fußball der Frauen nachhaltig weiterentwickeln». Er hält es für wichtig, dass die Vereine aus der Männer-Bundesliga eine Vorbildfunktion im Fußball der Frauen übernehmen.
Voss-Tecklenburg würde es bedauern, wenn Turbine «auf der Fußballlandkarte erstmals aus der Bundesliga verschwindet. Ich hoffe, dass sie die Energie haben, auch die Lust und die Bereitschaft haben, wieder nach oben zu kommen», sagte sie.