Hertha B(leibt) S(ehr) C(haotisch). Die Jubelbilder vom Relegationssieg in Hamburg sind schon nach wenigen Tagen verblasst.
Mit Zoff und Zank und bösen Worten geht beim Berliner Fußball-Bundesligisten die Aufarbeitung der Zitter-Saison weiter und kulminiert in der Auseinandersetzung zwischen Ex-Präsident Werner Gegenbauer und Millionen-Investor Lars Windhorst.
Längst hat Fredi Bobic große Sorgen, dass die aufgeladene Stimmung bei der Mitgliederversammlung am Sonntag zu Tohuwabohu führt – und schlimmstenfalls sogar zu einer Fan-Revolte oder einem lähmenden Machtvakuum. «Wir müssen wissen, was wichtig ist. Wir müssen handlungsfähig bleiben, wir brauchen Kontinuität», schwor der Geschäftsführer die Funktionäre und vor allem die aufgebrachten Mitglieder auf einen moderaten Kurs ein.
Ex-Präsident Gegenbauer kritisiert Windhorst
Gar nicht moderat geht es zwischen Gegenbauer und Windhorst zu. Vor allem der Ex-Boss keilt ordentlich aus. Gleich nach seinem Rücktritt holte der lange als Phantom-Präsident öffentlich kaum präsente Club-Chef zur Abrechnung mit seinem Gegenspieler aus und erhob dabei schwere Vorwürfe gegen den ob der im sportlichen Sturzflug mauen Aussicht auf Rendite enttäuschten Geldgeber.
«Er hat in den vergangenen Wochen, mitten im Abstiegskampf, den Verein angezündet. Windhorst hat eine Spaltung zu verantworten, die den Club und alle Abteilungen schwer verunsichert hat. Es wird die Aufgabe meiner Nachfolgerin oder meines Nachfolgers sein, diese Spaltung rückgängig zu machen», sagte Gegenbauer dem «Tagesspiegel».
Windhorst hält dagegen
Windhorst wies die Vorwürfe zurück. Eine offene Eskalation des Konfliktes will er aber wohl vermeiden. Die Replik klang etwas gönnerhaft und bewusst über den Dingen stehend. «Wir sehen mit Respekt, dass Werner Gegenbauer den Weg für einen Neuanfang freigemacht hat. Die sehr persönlichen, haltlosen Attacken gegen Lars Windhorst haben zwar mit Neuanfang nichts zu tun. Nachtreten ist aber nicht unser Stil», sagte Windhorsts Sprecher, Andreas Fritzenkötter, der Deutschen Presse-Agentur.
Gegenbauer geht es natürlich um die Deutungshoheit über seine Ära als Hertha-Chef. Windhorst hatte ihn mit seiner Abwahlforderung im März brüskiert. Die Frage über den für den Verein zweckmäßigen Einsatz der 375 Millionen Euro Investoren-Geld ist Ansichtssache. Fakt ist, dass es unter Gegenbauers Leitung seit der Zuwendungen keinen sportlichen Aufschwung gab, sondern eine rasante Talfahrt.
Dass der in der Relegation gerade noch rechtzeitig aufgegangene Rettungsschirm tragfähig bleibt, ist die Aufgabe von Bobic. Doch offenbar plagen den Manager Zweifel, dass ein Aufwind einsetzt. Die Gefahr: Wird am Sonntag das gesamte Präsidium abgewählt, herrscht ausgerechnet in der so wichtigen Planungsphase für die kommende Saison eine gefährliche Lähmung in den Entscheidergremien.
Präsidentschaftskandidat für Sachlichkeit
Diese Gefahr sieht der bislang einzig bekannte Kandidat für die Präsidentschaftsnachfolge nicht. «Es gibt bei einer Mitgliederversammlung nicht drei Stunden Krawall. Es wird sachlich und ruhig zugehen», meinte Kay Bernstein, der einstige Vorsänger in der Fankurve und heutige Unternehmer. Das Präsidium werde wohl nicht komplett abgewählt, da die Reizfigur Gegenbauer nicht mehr da sei.
Für den anstehenden Wahlkampf um die Gegenbauer-Nachfolge, die bei einer weiteren Versammlung in gut vier Wochen geklärt werden muss, rechnet Bernstein neben sich selbst mit drei weiteren Kandidaten: Interimspräsident Thorsten Manske, Aufsichtsratschef Torsten-Jörn Klein und auch einem noch nicht bekannten Vertreter aus dem Windhorst-Lager. Bislang hat sich nur Bernstein zur Kandidatur bekannt. Die Verantwortlichen rief auch er zur Besonnenheit auf: «Es müssen jetzt alle mal zur Ruhe kommen. Alle brauchen eine Yoga-Session.»