Gerardo Seoane eröffnete seine Analyse mit einem «großen Kompliment».
Mit dem zielte der Trainer von Bayer Leverkusen allerdings nicht auf die brillante Torausbeute seines Teams ab, das nach dem 3:1 (2:1) beim VfB Stuttgart schon 15 Treffer markiert hat – so viele waren es für die Werkself nach fünf Spieltagen in der Fußball-Bundesliga zuletzt vor 13 Jahren.
Und der Coach hielt auch kein Loblied auf Nationalspieler Florian Wirtz, der mit einem Tor und einer Vorlage mal wieder zum Matchwinner avanciert war. Seoane freute sich in erster Linie über «die unglaubliche Solidarität» seiner Spieler, «so lange in Unterzahl durchzuhalten».
60 Minuten nur zu zehnt
In den 60 Minuten ab der Roten Karte gegen Mittelfeldmann Robert Andrich wegen eines groben Fouls habe es «viel zu lernen» gegeben für seine Mannschaft, sagte der 42-Jährige, «kompakt zu stehen, gemeinsam zu verteidigen». Es sei «nicht das, was wir gewohnt sind, dass wir gefühlt 80, 90 Prozent am eigenen Sechzehner verteidigen und vereinzelte Umschaltsituationen haben», erklärte der Trainer.
Doch die sonst so spielstarken Leverkusener, für die Andrich (2. Minute), Patrik Schick (19.) und Wirtz (70.) die Treffer erzielten, hätten es «sehr gut umgesetzt». Mehr als das Abstauber-Tor von Stuttgarts Orel Mangala (38.) und eine Handvoll Halbchancen ließen sie auch nicht zu.
Hradecky: «Hässliche Leistung»
Und so durften sie sich trotz einer «hässlichen Leistung», wie Torhüter Lukas Hradecky es nannte, neben dem vierten Sieg in den vergangenen fünf Pflichtpartien auch über die vorläufige Rückkehr in die Champions-League-Ränge freuen. Womöglich helfen Bayer die Erkenntnisse aus dem Spiel bei den Schwaben sogar mehr als die drei Punkte an sich. Eine der Lehren, die sie ziehen dürften, ist: Auch hässlich kann schön sein. Und vor allem erfolgreich.
Für offensive Kunst und individuelle Künstler wie den erst 18 Jahre alten Wirtz steht der Club schon seit Jahren. Für Defensivstärke eher nicht. Doch genau die ist es, die im Laufe einer Saison entscheidend sein kann im Kampf um Titel und Europapokalplätze. Nach den Rängen fünf und sechs in den vergangenen beiden Saisons soll Bayers Weg diesmal nach Möglichkeit wieder in die Königsklasse führen. Doch der ist weit, unbequem – und manchmal eben auch hässlich.