Der auf dem Fußballplatz stets extrem cool auftretende Toni Kroos hatte «Gänsehaut», als er sein Karriereende im gemeinsamen Podcast mit Bruder Felix verkündete. Im Sommer ist Schluss für Deutschlands erfolgreichsten Fußballer der Gegenwart – das war die Breaking News, die 24 Tage vor der Heim-EM aus Madrid nach Deutschland schwappte.
Aus Sicht des 34-jährigen Kroos endet die von Trophäen und großen Momenten geprägte Profi-Karriere idealerweise im Sommer nach einem weiteren Champions-League-Triumph mit seinem Herzensclub Real Madrid gegen Borussia Dortmund am 1. Juni in Wembley und einem ganz großen persönlichen Finale im Deutschland-Trikot bei der anstehenden Heim-EM.
«Die Entscheidung geht nicht leicht über die Lippen»
14. Juli 2024, Olympiastadion Berlin, da will Kroos – wenn sich seine letzten Träume als Fußballer erfüllen sollten – ein allerletztes Mal als aktiver Kicker auf dem Rasen stehen. «Wenn man, so wie ich, angefangen hat, mit sechs Jahren Fußball zu spielen und das dann bis 34 einigermaßen hinbekommt, ist das einfach eine sehr folgenschwere Entscheidung», sagte Kroos im Podcast «Einfach mal Luppen».
Der Fußball stand praktisch in seinem gesamten bisherigen Leben im Mittelpunkt. «Deshalb geht die Entscheidung nicht ganz so leicht über die Lippen.» Er sei gleichzeitig «sehr happy und sehr traurig», berichtete Kroos. Der Weltmeister von 2014 ist für konsequente und für selbstbestimmte Entschlüsse bekannt. Nach dem WM-Triumph 2014 in Brasilien wechselte er vom FC Bayern zum größten Club der Welt, Real Madrid. Eine Erfolgsgeschichte begann. Und vor den Länderspielen im März kündigte er jüngst selbst sein Comeback im Nationaltrikot an, nachdem ihn Bundestrainer Julian Nagelsmann für die Heim-EM begeistert hatte.
Pérez: «Toni ist einer der großen Spieler»
In Madrid lag für Kroos noch mal ein Einjahresvertrag bereit, den er hätte unterschreiben können. Aber der Familienvater entschied sich für ein anderes Leben. «Ich habe da lange drüber nachgedacht, sehr lange. Ich bin in den letzten Tagen zu einer Überzeugung gekommen, die lautet, dass diese wunderbare Saison, die zehnte mit Real, auch gleichzeitig meine letzte mit Real ist», teilte Kroos seinen vielen Fans mit. Real-Präsident Florentino Pérez würdigte Kroos‘ Schaffen bei den Königlichen umgehend: «Toni ist einer der großen Spieler in der Geschichte von Real Madrid. Dieser Club ist sein Zuhause und wird es immer sein.»
Ganz überraschend kommt die Entscheidung des großen Mittelfeldstrategen nicht, sie ist in ihrer Klarheit und Logik vielmehr typisch für Kroos. «Wer mir in den letzten Monaten und Jahren aufmerksam gelauscht hat, dem ist das eine oder andere Mal der Satz untergekommen, dass für mich nur infrage kommt, meine Karriere zu beenden bei Real Madrid. Und wer jetzt eins plus eins zusammenzählen kann, der weiß, dass in diesem Sommer Schluss ist. Schluss bei Real. Schluss mit Fußball», verkündete er.
«Ich wollte auf dem Höhepunkt meines Schaffens gehen»
Der Zeitpunkt sei perfekt: «Ich wollte immer auf dem Höhepunkt meines Schaffens gehen. Ich wollte nie, dass die Leute mir sagen müssen, jetzt reicht’s.» Von vielen kleinen Gründen spricht Kroos. Mit verschiedenen Projekten habe er sich längst ein Leben neben dem Fußball aufgebaut. «Ich freue mich auf eine Zeit von mehr Selbstbestimmtheit», sagte er.
Nicht mehr Trainings- und Spielpläne sollen seinen Alltag bestimmen. Mehr Zeit mit der Familie, auch die wünscht sich Kroos. Drei gemeinsame Kinder hat er mit Ehefrau Jessica; Leon (geboren 2013), Amelie (2016) und Fin (2019). «Von den Kids gab es geteilte Lager», sagte er zu den Reaktionen. Seine Tochter etwa wolle ihn endlich auf einem Pferd reiten sehen, erzählte Kroos. Das habe er bislang mit Verweis auf den Fußball ablehnen können.
Bevor er die Fußballschuhe auszieht und in den Sattel steigt, hat Kroos aber noch einiges vor. «Ich möchte jetzt noch richtig Spaß haben die nächsten Wochen – und ich möchte maximalen Erfolg haben», kündigte er an. «Ich habe natürlich ein riesengroßes Ziel, das Ding zu holen», sagte er mit Blick auf das Königsklassen-Finale gegen Dortmund. Fünfmal hat der inzwischen auch bei seinen schärfsten Kritikern vom «Querpass-Toni» zum anerkannten und bewunderten «Steilpass-Toni» gewandelte Kroos den Henkelpott schon geholt; 2013 mit dem FC Bayern München, 2016, 2017, 2018 und 2022 mit Real Madrid.
Weggefährten äußern sich
Eine der ersten Reaktionen kam am Dienstag von Mats Hummels, Kroos‘ Weltmeister-Kollege 2014 in Brasilien. «Was für ein Fußballer, es war mir eine Ehre & eine Freude, Toni!», schrieb BVB-Profi Hummels auf Instagram und ergänzte mit Blick auf das große Duell im Champions-League-Endspiel: «Vor fast 20 Jahren zusammen im Grünwalder (Stadion), jetzt sehen wir uns zum Abschluss noch mal ziemlich standesgemäß in Wembley.» Für den 35-jährigen Hummels, den Bundestrainer Nagelsmann trotz der aktuell starken Form im BVB-Trikot nicht für die EM nominierte, könnte London den Endpunkt seiner großen Karriere markieren.
Auch Ex-Nationalspieler Miroslav Klose lobte seinen langjährigen Teamkollegen Toni Kroos in höchsten Tönen. «Bei ihm fehlen einem die Wörter», sagte der 45-Jährige der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. Es sei «unglaublich», wie sich Kroos bei seinem spanischen Club Real Madrid durchgebissen habe und was für eine Rolle er dort spiele. Die Mitspieler würden zu dem Mittelfeld-Routinier aufschauen, meinte Klose anerkennend. Lothar Matthäus hob ebenfalls zu einer bemerkenswerten Würdigung an. «Er ist vielleicht sogar der größte deutsche Fußballer, ganz sicher einer der größten. Er hat die WM gewonnen, so oft die Champions League», sagte er der Münchner «Abendzeitung». Rudi Völler äußerte sich ebenfalls: «Vor allem wünsche ich ihm, dass er seine Karriere erst Mitte Juli beendet und wir noch viele erfolgreiche EM-Spiele mit ihm erleben dürfen.»
Nagelsmann über Kroos: «Der ist wie Stahl»
Für Kroos folgen danach noch einige Länderspiele. Am 14. Juni beginnt in München sein letztes großes Turnier als Nationalspieler mit dem Eröffnungsspiel der DFB-Auswahl gegen Schottland. «Ich habe das riesengroße Ziel, mit Deutschland eine gute EM zu spielen», sagte Kroos. Nach bislang 108 Länderspielen soll und will Kroos die Nationalelf möglichst bis zum Finale nach Berlin führen. So wie er sie bei seinem bemerkenswerten Comeback im März gegen die Mitfavoriten Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) zu Siegen dirigierte.
Nagelsmann überträgt Kroos die Anführerrolle beim Heimturnier aus voller Überzeugung. Bei der Bekanntgabe des EM-Kaders in der vergangenen Woche zerstreute der Bundestrainer jeden Zweifel an der Turnierfitness des 34-Jährigen. «Wenn man Toni Kroos umarmt, trotzdem, dass er nicht mehr 20 ist, der ist wie Stahl! Unfassbarer Körper, nach wie vor!»