In die Schwärmereien über Xavi Simons wollte sich Ronald Koeman keineswegs einreihen. Im Gegenteil. Der Bondscoach nahm sich den Jungstar der Fußball-Bundesliga vor dem Duell mit Deutschland verbal so richtig vor. «Xavi ging zu viel Risiko in seinen Aktionen. Er war einer der Spieler, der einfach den Ball viel zu oft verloren hat», befand Koeman. Wohlgemerkt nach einem 4:0 gegen Schottland.
Doch vom Resultat ließ sich der bisweilen knurrige 61-Jährige nicht blenden. Simons bekam sogar noch eine Spitze mit auf den Weg: «Er macht es zu kompliziert. Er muss langsam die Erfahrung machen, dass wir in den Niederlanden nicht davon profitieren, den Ball zu verlieren.» Und die Zeitung «AD» legte nach. «Xavi Simons überzeugte mal wieder nicht», urteilte das Blatt. Zwölfmal spielte der 20-Jährige bisher im Oranje-Trikot. Die Bilanz: kein Tor, keine Vorlage.
Diese Art des Gegenwinds ist Simons keineswegs gewohnt. Bei RB Leipzig verzückt der ebenso dribbelstarke wie torgefährliche Angreifer seit dem Sommer Fans, Mitspieler und Trainer. «Sein Profil ist außergewöhnlich. Er ist nie zufrieden, er will immer mehr. Er ist schon ein geiler Junge», sagte Coach Marco Rose. In bisher 25 Bundesliga-Spielen verbuchte Simons sieben Tore und elf Vorlagen. In wenigen Monaten hat er sich trotz seiner Jugend zu einem Pfeiler des Leipziger Teams entwickelt.
Von PSG nur ausgeliehen
Kein Wunder, dass man bei RB gern länger Spaß an Simons hätte. Doch das Top-Talent ist von Paris Saint-Germain nur ausgeliehen – ohne Kaufoption. In der französischen Hauptstadt wartet bereits eine Aufgabe auf Simons. Er soll den Abgang von Kylian Mbappé im Sommer kompensieren. «Er hat die perfekten Qualitäten für das, was wir wollen. Er könnte natürlich eine sehr interessante Option für uns sein», sagte Trainer Luis Enrique jüngst.
Das Erstaunliche an Simons Karriere ist eigentlich, dass er es überhaupt so weit gebracht hat. Nicht von der Begabung her, versteht sich. Doch der Niederländer wäre bei Weitem nicht der erste Hochbegabte, der in der Versenkung verschwindet, nachdem man in ihm einst den neuen Lionel Messi gesehen hatte.
Genau auf diesem Weg befand sich Simons. Mit sieben Jahren ging er an die Akademie des FC Barcelona, mit 16 wechselte er unter großem Drama und angeblich auf Druck seines Umfelds nach Paris. Rückblickend ein guter Transfer. «Ich kam mit 17 in die erste Mannschaft zu all den erfahrenen Spielern: Neymar, Messi, Ramos, Marquinhos, Mbappé», sagte Simons dem «Kicker». «Das war das Beste, was mir passieren konnte. Ich habe in dieser Zeit gesehen und gelernt, was man tun muss, wenn man etwas erreichen will.»
Neymar als Lehrmeister
Sein Mentor in Paris war ein gewisser Neymar. «Er kannte mich schon aus Barcelona und er hat sich sehr um mich gekümmert. Das war etwas Großes für mich und ich bin ihm für immer dankbar», sagte Simons. Und doch blieb ihm der Durchbruch bei PSG als Teenager verwehrt. Er wechselte nach Eindhoven, überragte in der beschaulichen Eredivisie und kletterte dann eins bis zwei Stufen höher nach Leipzig.
Der Plan des Xavier Quentin Shay Simons scheint aufzugehen. Und das liegt auch an seinem Kopf. Wegbegleiter bezeichnen ihn als fleißig, lernwillig und durch und durch bodenständig. Was durchaus beachtlich ist für einen jungen Mann, der schon in der Pubertät ein kleiner Star auf Social Media war. Seine Dribblings in der Jugend von Barça veröffentlichte Simons auf Instagram – und sie gingen um die Welt.
Heute hat er 5,7 Millionen Follower auf der Plattform und damit fast dreimal so viel wie sein Club Leipzig. Zu Messis 501 Millionen ist es noch ein Stück. Aber selbst einer wie Simons muss schließlich noch Ziele haben. Und das mit dem von Koeman gewünschten Lerneffekt wird auch klappen. Marco Rose ist sich sicher: «Mit mehr Spielen in den Beinen und mehr Erfahrung wird das Paket noch kompletter.»