Wird Fredi Bobic mit seiner Vergangenheit konfrontiert, wird seine Mimik süß-sauer. Die Fragen nach Eintracht Frankfurt findet der Geschäftsführer von Hertha BSC überflüssig.
Aber natürlich weiß Bobic, dass er sich durch den Wechsel nach Berlin eine ordentliche Karriere-Delle eingehandelt hat. An keinem Tag wird das so deutlich wie an diesem Mittwoch. Während die Hessen in Sevilla gegen die Glasgow Rangers in der Europa League um einen internationalen Titel spielen, sitzt Bobic in Kienbaum mitten in Brandenburg und muss mit dem von ihm als Retter verpflichteten Felix Magath die Hertha auf das Nervenspiel der Relegation gegen den Hamburger SV vorbereiten.
«Alles, wirklich alles, ist dem Klassenerhalt untergeordnet», sagt Bobic seit Wochen. Jetzt, vor dem Hinspiel am Donnerstag (20.30 Uhr/Sky/Sat.1), ist es ernst. Ein Abstieg würde den 50-Jährigen in seinem Berliner Streben nach einer grundlegenden Erneuerung des Krisen-Clubs extrem zurückwerfen. Dass er in der 2. Liga überhaupt bleiben würde, hat er auch noch gar nicht klar gesagt, denn «alles, wirklich alles, ist dem Klassenerhalt untergeordnet», sagt Bobic.
Der Präsident schweigt
«Wir sind sehr erfreut, mit Fredi Bobic unseren Wunschkandidaten gewonnen zu haben und freuen uns auf die zukünftige erfolgreiche Zusammenarbeit», kommentierte Hertha-Präsident Werner Gegenbauer vor 13 Monaten die Verpflichtung des Managers mit Wunder-Image. Die Hertha stand auch damals tief im Abstiegskampf. Mit Bobic, der in Frankfurt gefühlt alles und alle besser gemacht hatte, sollte es auch in Berlin aufwärts gehen. Ging es aber nicht. Momentan sagt Gegenbauer gar nichts.
Nach gut einem Jahr wirkt Bobic aufgerieben. Woche für Woche sah man ihn im Olympiastadion stehen, an einen grauen Betonpfeiler gelehnt, wie er sorgenvoll und zweifelnd die Spiele der Hertha am Rande der Bundesliga-Existenz verfolgte. Helfen konnte er auch nicht. Was lief also schief mit dem einstigen Stürmer der Blau-Weißen bei der Rückkehr als Manager?
Das Problem: In Berlin dachten sie, ein Handauflegen von Bobic würde reichen, um die jahrelangen Fehlleistungen zu kurieren. Das hatte in Frankfurt ja auch scheinbar geklappt. Jeder Transfer von Ante Rebic bis Luka Jovic war ein Volltreffer. Und Bobic dachte, in Berlin stünden ihm ausreichend Mittel zur Verfügung, um die jahrelangen Fehlleistungen zu kurieren. Beides war nicht der Fall. Es dauerte bis tief in den Dezember, bis Bobic auch mal der Kragen platzte.
Bobic will Leistungskultur
«Bei Hertha war es wie auf dem Amt: Das haben wir immer so gemacht, also machen wir es weiter so», sagte Bobic da in einem Interview mit dem vereinseigenen TV über die ersten Eindrücke in Berlin. «Man ist fast eingeschlafen.» Bobic hatte gleich am ersten Tag neue Strukturen angekündigt: «Wir wollen überall besser werden und Leistungskultur auch bei der Hertha sehen. Wir müssen uns bewegen.»
Das Dilemma: Bobic erlitt offenbar die gleichen Symptome wie viele Spieler, die zur Hertha kamen. Er wurde in dem, was er tat, immer schlechter. Die Transfers mit beschnittenem Budget saßen nicht. Ob Myziane Maolida, Oliver Christensen, Frederik Björkan oder Dongjun Lee, da war viel Masse für wenig Klasse im Einkaufskorb. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Bobic trotz der Millionen von Investor Lars Windhorst einen Transferüberschuss erzielen musste. Von schwierigen Charakteren wie Matheus Cunha (Atlético Madrid) oder Dodi Lukebakio (VfL Wolfsburg) trennte man sich nicht nur wegen deren Eskapaden.
Viele Baustellen
Bobic musste überall ran. Geschäftsführer Carsten Schmidt wurde nach dessen Abschied aus privaten Gründen nicht ersetzt. Bobic übernahm weitere Arbeitsfelder und hatte in seiner Kernkompetenz kein glückliches Händchen. Von Trainer Pal Dardai, den er nie wirklich mochte, trennte er sich voreilig. Von dessen Nachfolger Tayfun Korkut viel zu spät. Im Dauerdisput von Gegenbauer und Windhorst hält er sich bedeckt. Mal abwarten, wer den Machtkampf gewinnt.
Man könnte meinen, Bobic muss mit seiner Hertha-Arbeit einfach nochmal neu anfangen. Wie schwer es ist, wieder nach oben zu kommen, davon könnte ihm HSV-Sportvorstand Jonas Boldt erzählen. Vor knapp sechs Wochen schien die Rückkehr in die Bundesliga zum vierten Mal in Serie schon verspielt zu sein. Die Stimmungslage in einigen Gremien des Vereins sprach gegen Trainer Tim Walter – und auch gegen Boldt.
Dann kippte der Saisonverlauf zugunsten des HSV. Mit fünf Siegen in Serie schafften die Norddeutschen die Relegation gegen Hertha. Nicht nur Trainer Walter ballte die Faust, auch Boldt. Kritiker von Trainer und Sportvorstand haben es nun schwer, Front gegen das Duo zu machen. «Das ist völlig uninteressant. Es gibt nur einen, der für den Sport zuständig ist – und das bin ich», sagte Boldt selbstbewusst. Ähnlich könnte es Bobic in Berlin auch ausdrücken.