Theo Zwanziger ging nach dem Auftakt des Sommermärchen-Prozesses verbal in die Offensive, die Mitangeklagten Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt verließen kommentarlos das Gerichtsgebäude.
Das Verhalten der wegen Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall angeklagten früheren Topfunktionäre des Deutschen Fußball-Bundes hatte durchaus Symbolcharakter, denn das Trio will in dem eröffneten Hauptverfahren vor dem Landgericht Frankfurt unterschiedliche Wege beschreiten.
Während Niersbach und Schmidt die Einstellung des Prozesses anstreben, lehnt Zwanziger dies ab. «Ich habe den Eindruck, dass die Vertreter der Anklage sehr wohl wissen, dass sie auf sehr dünnem Eis sind und es einen Freispruch geben kann und geben wird für alle drei Angeklagten», sagte der ehemalige DFB-Boss. Ihm sei es deshalb «sehr viel sympathischer, wenn es zu der vom Gericht angekündigten Beweisaufnahme kommt.»
Zuvor hatte Niersbachs Rechtsbeistand Sven Diener am ersten Verhandlungstag offiziell die Einstellung des Sommermärchen-Prozesses beantragt. Wegen des Verbots der Doppelverfolgung und Doppelbestrafung liege ein Verfahrenshindernis vor, begründete er den Antrag, der von Schmidt und seinen Anwälten unterstützt wird.
Angeklagte weisen Vorwürfe strikt zurück
Sie berufen sich darauf, dass sich alle drei Angeklagten wegen der Zahlung von 6,7 Millionen Euro aus dem Jahr 2005 an die FIFA, mit denen ein Privatdarlehen von Franz Beckenbauer bei dem französischen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus aus dem Jahr 2002 getilgt worden war, bereits 2020 vor dem Schweizer Bundesstrafgericht verantworten mussten. Das Verfahren in Bellinzona wurde wegen Verjährung eingestellt.
Die Staatsanwaltschaft geht dagegen davon aus, dass die in Frankfurt angeklagte Tat «nicht identisch ist mit der Tat, die in der Schweiz gerichtsanhängig war», sagte Oberstaatsanwalt Dominik Mies in seiner Funktion als Sprecher der Behörde. Sollte es dennoch zu einer Prozess-Einstellung kommen, werde das Verfahren gegen Zwanziger abgetrennt und fortgeführt.
Einig sind sich die Angeklagten in der Bewertung der Vorwürfe, die sie erneut strikt zurückwiesen. «Es hat im Jahr 2006 überhaupt keine Steuerverkürzung gegeben. Und wenn es keine Steuerverkürzung gegeben hat, gibt es auch keine Steuerhinterziehung», sagte Zwanziger und kündigte an: «Ich möchte gerne die Steuerfahnder erleben, wie sie das begründen, was sie in den Jahren von November 2015 bis zum Mai 2018 gemacht haben.»
Ähnlich äußerte sich in der Verhandlung Schmidts Rechtsbeistand Tilman Reichling. «Eine Steuerhinterziehung im Jahr 2006 ist ausgeschlossen», sagte er in seinem Eingangsstatement. Zugleich warf Reichling der Staatsanwaltschaft vor, sie habe den angeblich entstandenen Steuerschaden seit dem Jahr 2015 «mehr als vervierfacht, um das Verfahren aufzublähen».
Staatsanwaltschaft sieht hinreichenden Tatverdacht
Zu Beginn der Ermittlungen vor mehr als acht Jahren habe die Staatsanwaltschaft den Steuerschaden noch auf 2,7 Millionen Euro beziffert. In der zur Eröffnung der Verhandlung verlesenen Anklage warf die Staatsanwaltschaft den drei Beschuldigten eine Steuerhinterziehung von 13,7 Millionen Euro für 2006 vor, weil die 6,7 Millionen Euro in der Steuererklärung für das betreffende Jahr unzulässigerweise als Betriebsausgabe geltend gemacht worden seien.
«Wir haben einen hinreichenden Tatverdacht bejaht. Das Oberlandesgericht hat uns diesbezüglich zweimal in aller Deutlichkeit recht gegeben. Von einem willkürlichen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden zu sprechen, ist bemerkenswert», bekräftigte Mies den Standpunkt der Staatsanwaltschaft.
Nach Ansicht von Zwanzigers Anwalt Hans-Jörg Metz sei bei den Ermittlungen der Behörden der Eindruck entstanden, dass es der Staatsanwaltschaft mehr um «eine Prominenten-Verfolgung ging als um die Wahrheitsfindung. Außer Spekulationen finden wir in den Ermittlungsakten nichts. Es fehlt an den Voraussetzungen und Tätern für eine Steuerhinterziehung», sagte er.
Niersbachs Anwältin Renate Verjans kritisierte, dass es auf Anordnung des Oberlandesgerichts Frankfurt überhaupt zu diesem Verfahren gekommen sei. Das OLG hatte 2019 und 2023 gleich zweimal den Einstellungsbeschluss des Landgerichts aufgehoben und das Verfahren wieder in Gang gesetzt. «Es macht fassungslos, dass wir mehr als acht Jahre nach Beginn der Ermittlungen hier sitzen», sagte Verjans und äußerte die Erwartung, dass Niersbach mit einem Freispruch «Gerechtigkeit widerfährt».
Darauf hofft auch der Deutsche Fußball-Bund, dem im Zuge der Affäre rückwirkend für 2006 die Gemeinnützigkeit aberkannt worden war. Der Verband musste deshalb 2017 rund 22,5 Millionen Euro an Steuern nachzahlen. Eine Klage des Verbandes beim Finanzgericht Kassel wurde bis zum Abschluss des Sommermärchen-Prozesses ausgesetzt – und hat wohl nur bei einem Freispruch für die Angeklagten gute Aussichten auf Erfolg.