Mit Sonnenbrille und einem Bayern-Trikot über der bayerischen Tracht reckte Robert Lewandowski auf dem Rathausbalkon unter dem Jubel tausender Münchner Fans begeistert die Meisterschale in die Höhe.
Die Anhänger starteten unter einem strahlend-blauen Himmel ein vielstimmiges Werben um den Weltfußballer, der seine Tore offenbar ganz schnell lieber für den FC Barcelona schießen möchte. «Lewa bleib, Lewa bleib», hallten die Fan-Rufe von unten hoch auf den Balkon. Der 33 Jahre alte Pole drückte sich dabei etwas verschämt im Hintergrund herum, ehe er ans Mikrofon trat – und zu seiner Zukunft schwieg. Er «liebe es am meisten, Tore zu schießen», aber künftig wohl eher in einem anderen Land – und in einem anderen Trikot.
«Wir haben das vermisst, hier mit Euch zu sein», rief er den Fans stattdessen nach zwei Meisterjahren ohne Fanparty in der Münchner Innenstadt zu. Er klopfte sich am Ende seiner kurzen Ansprache auf die Trikotbrust in Herznähe. Dazu rief er den Vereins-Leitspruch ins Mikrofon: «Mia san mia.» Wielange aber gilt das noch für ihn?
Kahns Machtwort im Uli-Hoeneß-Stil
Bayern-Boss Oliver Kahn sprach einige Meter entfernt vom Topverdiener Lewandowski derweil ein Machtwort, das kaum zu revidieren ist. Vor Sommer 2023 gehe nichts für Lewandowski, sagte er mit Verweis auf dessen Arbeitspapier. «Diesen Vertrag wird er erfüllen – basta!», sagte der Vorstandsboss in bester Uli-Hoeneß-Manier im Bayerischen Fernsehen. Kahn gab sich demonstrativ gelassen: «Das ganze Theater, dieser ganze Alarmismus, das kennen wir aus der Vergangenheit. Das bereitet uns nicht Kopfzerbrechen.»
Ehrenpräsident Hoeneß hieß diese Haltung im Münchner Rathaus am Sonntag gut. Es wäre «auch meine Meinung, dass man ihn nicht abgibt», sagte der 70-Jährige, dessen Meinung immer noch viel zählt.
Forsche Grußworte an alle Bayern-Jäger
Kahn gab sich auf dem Rathausbalkon auch ansonsten angriffslustig. In Richtung Borussia Dortmund, RB Leipzig oder anderer Bayern-Jäger tönte er: «Ich habe gehört, dass sich die Konkurrenz Hoffnungen macht, im nächsten Jahr mal Meister werden zu können. Aber ich sage Euch, diese Hoffnung können sie sich abschminken.»
Trainer Julian Nagelsmann trat bei seiner Balkon-Premiere auch offensiv auf: «Ich würde nächstes Jahr gerne mehr Titel feiern mit Euch. Nächstes Jahr werden es hoffentlich ein, zwei Titel mehr.» Im DFB-Pokal waren die Bayern schon in Runde zwei krachend gegen Borussia Mönchengladbach ausgeschieden. In der Champions League war im Viertelfinale gegen den FC Villarreal Endstation – enttäuschend.
Lewandowskis «Servus» und mögliche Auswirkungen
Sind große Ziele – gerade international – auch ohne Lewandowski realistisch? Es könnten ja die letzten Partytage des Polen in München gewesen sein. Im Grunde sagte er schon am Wochenende «Servus».
Lewandowskis Taktik geht dabei so: «Wenn ein Angebot kommt, dann müssen wir darüber nachdenken – auch für den Verein. Beide Seiten müssen an die Zukunft denken», sagte er nach dem 2:2 am letzten Bundesliga-Spieltag beim VfL Wolfsburg. Sein 35. Saisontor dort könnte sein letztes im Bayern-Trikot gewesen sein, nach dem Spiel bekam er zum fünften Mal nacheinander die Liga-Torjägerkanone. «Gut möglich, dass es mein letztes Spiel für den FC Bayern war. Ich kann es nicht hundertprozentig sagen, aber es könnte sein», sagte er.
Teamkollege Müller wünscht sich Verbleib
Coach Nagelsmann blieb wie in den Wochen zuvor abgeklärt. Einen raschen Abgang bezeichnete er aber schon mal als «Verlust». Lewy liefere schließlich seit Jahren Topleistung. Aber Nagelsmann kennt das Geschäft, befand darum professionell: «Da ist wenig Raum für Trauer. Man muss aus der Situation versuchen, das Beste zu machen.»
Thomas Müller wünscht sich eine Vertragserfüllung von Lewandowski. Der Offensivkollege verwies am Rande der Meisterfeier auf die Gesetzmäßigkeiten des Fußballgeschäfts: «Es ist so, er hat bis 2023 Vertrag. Das heißt, die Zügel, die hat schon der FC Bayern in der Hand. Wir wären natürlich dafür, dass er dann auch bleibt. Aber klar, wir kennen alle das Geschäft…» Und da zählen Verträge nur bedingt.
Bayern-Bosse wollen Wechsel vermeiden
Die Bayern-Bosse argumentieren in der Causa Lewandowski aktuell sehr geschlossen. Bei einigen Fans ist prompt Sportvorstand Hasan Salihamidzic mal wieder der Buhmann. Er zeichnet hauptverantwortlich für die Personalplanungen. Lewandowski habe ihm gesagt, «dass er gerne was anderes machen möchte», sagte Salihamidzic in Wolfsburg. Kahn betonte, man habe Lewandowskis Berater Pini Zahavi ein Angebot für eine Vertragsverlängerung über 2023 unterbreitet, das dieser «abgelehnt» habe. Das sei freilich «das gute Recht» des Beraters.
Kahn bestätigte indirekt, dass es sich um ein Angebot nur bis 2024 handelte. Die Partei Lewandowski erwartete eine längere Laufzeit. «Wir sind da sehr klar und konsequent», sagte Kahn mit Verweis auf Müller (32), der gerade auch nur um ein Jahr verlängerte. «Es gibt keinen Spieler, der größer als der Verein ist», betonte Kahn.
Vereins-Präsident Herbert Hainer deutete an, dass für einen Transfer von Lewandowski in diesem Sommer beide Seiten «einverstanden» sein müssten. Das Bayern-Problem lautet: Ein (Barcelona-)Angebot für Lewandowski müsste sehr lukrativ sein, also wohl 40 Millionen Euro plux x. Das Problem bliebe auch dann die Nachfolgerlösung.
Er «sehe weit und breit» keinen Stürmer, der Lewandowski ersetzen könnte, schon gar nicht aktuell, sagte Hoeneß. Wenn man aber ein Jahr Zeit habe, einen Nachfolger zu suchen, «dann ist die Ausgangsposition für den FC Bayern viel einfacher», befand der frühere Bayern-Macher.
Der FC Barcelona wartet angeblich auf einen Hinweis der Bayern über die Höhe der Ablösesumme, wie der TV-Sender Sport1 berichtete. Noch sei keine Abmachung der Clubs erzielt. Zwischen Lewandowskis Agenten Zahavi und Barcelona sei ein Dreijahresvertrag avisiert worden.
Wer Lewandowski nachfolgen könnte
Sadio Mané, der am Samstag mit dem FC Liverpool den FA-Cup gewann, könnte ein aussichtsreicher Kandidat sein, um in einem Paket von Neuzugängen einen Lewandowski-Verlust zu komensieren. Salihamidzic soll jüngst auf Mallorca bereits mit dem Berater des Senegalesen gesprochen. Auch Sasa Kalajdzic vom VfB Stuttgart soll in den Fokus der Münchner gerückt sein. Der Vertrag des 24-Jährigen bei den Schwaben läuft in einem Jahr aus. «Den Anruf der Bayern gab es nicht. Wenn er dann kommt, entscheide ich, ob ich abnehme oder nicht», sagte Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat beim Pay-TV-Sender Sky.