Die angemessene Einordnung der spielerisch leicht gemeisterten Drucksituation erklärte Oliver Kahn zur Chefsache. Der Bayern-Boss mochte Teil eins der Münchner Krisenbewältigung in der Fußball-Bundesliga gegen alarmierend hilflose Leverkusener keinesfalls kleinreden, aber auch partout nicht überhöhen.
Und darum richtete der Vorstandsvorsitzende nach dem 4:0 (3:0) in der Allianz Arena eine klare Arbeitsanweisung an das Starensemble um den erstaunlichen Fußball-Magier Jamal Musiala, während im Hintergrund die Blaskapelle zum gelungenen Wiesn-Heimsieg aufspielte.
«Das war natürlich extrem wichtig, dass die Mannschaft sich da rausgezogen hat», sagte Kahn. Und dann folgten mahnende Sätze: «Es war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber ich denke, wir sind alle gut beraten, das jetzt nicht zu hoch zu hängen.»
Fokus auf Pilsen und den BVB
Die vorausgegangene Phase mit vier sieglosen Liga-Spielen war für Kahn überflüssig: «Man sieht, wenn die Mannschaft konzentriert ist und jeder bereit ist, seine Aufgabe hundertprozentig zu erfüllen, dann brauchen sich die Jungs nicht viele Gedanken zu machen. Aber es gilt, diese Einstellung Spiel für Spiel an den Tag zu legen.» Schon am Dienstag in der Champions League gegen Viktoria Pilsen und noch viel mehr am kommenden Samstag beim großen Kräftemessen mit Borussia Dortmund. «Wir wollen so weitermachen und mit einem guten Gefühl nach Dortmund», sagte Kapitän Manuel Neuer.
Nach einem Auftritt, der wieder Bayern-like war und von vier Offensivspieler-Toren durch Leroy Sané, Musiala, Sadio Mané und Thomas Müller gekrönt wurde, konnten alle beim FC Bayern durchpusten – auch Julian Nagelsmann. «Das war wichtig aus persönlicher Sicht, für den Club, für die Mannschaft», resümierte der 35-Jährige: «Es war eine gute Reaktion auf die Ergebnisse zuletzt. Nagelsmann hatte während der Länderspielpause erstmals richtig erfahren, welche Wucht eine sportliche Schieflage beim FC Bayern gerade für einen Trainer entwickeln kann. Er fand die Aufregung – gerade auch um ihn – übertrieben. «Wir haben so viele schlechte Spiele nicht gemacht, das ist das Skurrile an der Situation», meinte er.
Im ARD-Interview beklagte der immer noch lernende Fußball-Lehrer einen öffentlichen Populismus. «Man muss versuchen, an Lösungen zu arbeiten und nicht nur polemisch Dinge hinauszuposaunen und die Tage schwarzzumalen.» Jungstar Musiala hatte aber schon einen angespannten Nagelsmann wahrgenommen: «Es war schon Druck auf dem Trainer drauf.»
Musiala brilliert
Für den Druckverlust zum Start in sieben Power-Wochen mit insgesamt 13 Pflichtspielen sorgte allen voran der 19 Jahre alte Nationalspieler. Musiala dribbelte und trickste nach Herzenslust, war an drei Toren als Schütze oder Passgeber beteiligt und verzückte die 75.000 Zuschauer. Auch von Mahner Kahn kam bei Musiala kein «Ja, aber», sondern pure Schwärmerei: «Jamal zeigt von Spiel zu Spiel, was in ihm steckt. Er schafft es, Spiel für Spiel an sein oberes Leistungsniveau dranzukommen. Er ist derjenige, der uns im Moment viel Freude bereitet.»
Kapitän Neuer ernannte Musiala sogar zum «Schlüsselspieler» für den FC Bayern und die deutsche Nationalmannschaft. «Er ist für die entscheidenden Situationen oft zuständig.» Bemerkenswert ist, dass der Youngster plötzlich auch verbal in den Vordergrund tritt. «Wir waren richtig hungrig. Wir wollten zeigen, was wir können», sagte der Mann des Abends. Er sprach plötzlich sogar Worte im Kahn-Duktus:«Nicht zurücklegen jetzt, das ist wichtig! Wir müssen den gleichen Hunger, die gleiche Energie in die nächsten Spiele mitbringen.»
Mané trifft wieder
Musiala entwickelt sich gerade zu einer Führungskraft, die auf dem Platz auch der erfahrene Stürmerstar Mané sein will und sein soll. Dass der 30-Jährige seine wochenlange Torflaute beenden konnte – übrigens auf Zuspiel von Musiala – war nicht nur für den Senegalesen «ein befreiender Moment», wie Nagelsmann glücklich konstatierte. «Ja, man leidet ja mit ihm mit», sagte Kahn zu Mané: «Er ist ein so großartiger Typ. Er arbeitet enorm viel. Dass er dann das Tor macht, das war eine ganz besondere Freude für uns.»
Musiala brillant, Mané glücklich, Nagelsmann froh – die Bayern haben sich zurückgemeldet. «Klar, wir haben uns in einer üblen Situation befunden – und das war ein erster Schritt daraus», befand der eingewechselte Leon Goretzka. Leverkusens Kerem Demirbay drückte es mit Blick auf die triste und für Trainer Gerardo Seoane bedrohliche Bayer-Lage so aus: «In so einer Krise wie die Bayern würde ich auch gerne stecken mit meiner Mannschaft.»