Als Jonas Hofmann nach seinem Sturz auf den linken Oberarm mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen lag und sich die Schulter hielt, waren auch Hansi Flick und Oliver Bierhoff gleich besorgt.
Der Fußball-Nationalspieler schleppte sich beim Pokal-Aus von Borussia Mönchengladbach beim Zweitligisten Darmstadt 98 zwar nach einer Behandlung auf dem Platz noch bis zur Halbzeitpause voller Adrenalin irgendwie durch. Aber nach dem 1:2 verkündete Gladbachs Trainer Daniel Farke das Ergebnis erster Untersuchungen: Verdacht auf Schultereckgelenksprengung. WM-Aus also?
Bierhoff hatte am Tag danach gleich Kontakt mit dem 30-jährigen Hofmann. Hoffnung machen für die in rund vier Wochen beginnende WM in Katar konnte der DFB-Direktor danach nicht. «Es ist nicht meine Aufgabe, die Diagnose und eine weitere Prognose abzugeben», sagte Bierhoff auf dem DFB-Campus in Frankfurt der Deutschen Presse-Agentur. Der 54-Jährige wollte ganz offensichtlich dem Verein nicht vorgreifen. «Aber er hat sich schon besser angehört», verriet Bierhoff nur zum Austausch mit Hofmann.
«Da hat man immer Angst vor»
Ausfälle und Verletzungen kurz vor Turnieren sind rund um den Globus der Alptraum für Spieler und Nationaltrainer wie Flick. «Da hat man immer Angst vor, dass wichtige Spieler kurzfristig ausfallen und keine Zeit mehr haben, für das Turnier fit zu werden», sagte Bierhoff. Er schaue drei Wochen vor der Bekanntgabe des WM-Kaders durch Bundestrainer Flick bei den Spielen «ein bisschen mit Bedenken» zu.
Die hohe Schlagzahl mit Europapokal, Bundesliga, DFB-Pokal und zuletzt auch noch Nations League setzt gerade den Topspielern zu. Da wegen der Sommerhitze erstmals eine WM mitten in die Saison eingebettet ist, wird bis Mitte November ein knüppelhartes Programm durchgezogen. Trainer wie Bayerns Julian Nagelsmann zeigen sich hilflos: «Der Rhythmus ist, wie er ist. Er geht zulasten der Qualität und der Gesundheit. Es ist ärgerlich, dass dann Spieler ausfallen und verletzt sind.»
Beim FC Bayern zog sich Leroy Sané gerade einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zu. Manuel Neuer pausiert mit einer Schulterblessur. Sogar Thomas Müller fiel mit muskulären Problemen aus. Der französische Weltmeister Lucas Hernández fehlt den Münchnern seit Wochen nach einem Muskelbündelriss. Bei Gladbach verletzte sich in Darmstadt nicht nur Hofmann: Torwart Yann Sommer erwischte es womöglich schlimm am Sprunggelenk. Die Schweiz bangt nun um ihre Nummer 1.
Verletzte auch im Ausland
Am Dienstag kam zudem die Nachricht, dass Frankreich ohne Topspieler N’Golo Kanté zur Titelverteidigung in Katar antreten muss. Der 31-Jährige musste wegen einer Oberschenkelverletzung operiert werden. Er fällt monatelang aus. Der FC Liverpool meldete nur wenige Stunden zuvor, dass Diogo Jota beim Sieg gegen Manchester City eine schwere Wadenverletzung erlitten habe. Der 25 Jahre alte Joto wird bei der WM nicht für Portugal stürmen können.
Ist die Häufung prominenter Ausfälle Zufall? Bei Offensivkönner Sané etwa sei es «keine klassische Ermüdungserscheinung» gewesen, berichtete Nagelsmann, «sondern eine Abbremsbewegung mit einer großen Amplitude in der Muskulatur». Beim DFB planen sie jedenfalls fest mit Sané und auch Neuer für die WM. «Da habe ich zumindest keine Warnzeichen gehört», sagte Bierhoff. Am 14. November reist das Nationalteam zunächst für ein Testspiel in den Oman und dann nach Katar.
Eine WM findet nur alle vier Jahre statt – und Spieler unternehmen alles für eine Teilnahme. Dortmunds Turnier-Pechvogel Marco Reus (33) hatte erst am Sonntag beim 0:2 der Borussia bei Union Berlin nach einer Außenbandverletzung am Sprunggelenk sein Comeback als Einwechselspieler erlebt. Auch Leverkusens Supertalent Florian Wirtz (19) hat eine WM-Teilnahme nach einem Kreuzbandriss noch nicht aufgegeben. Es werde «nicht mehr lange dauern», sagte er zu seiner Rückkehr in den Spielbetrieb. Der Leipziger Verteidiger Lukas Klostermann schuftet nach einer Verletzung und Operation am Syndesmoseband fürs Comeback.
Flick will nur topfite Spieler
Flick hatte angekündigt, dass er ohne echte Turniervorbereitung nur Spieler nominieren wolle, die topfit sind und Spielrhythmus haben. Die Vereine bezahlen die Nationalspieler und schauen zunächst auf ihren Erfolg. Bierhoff sagt: «Man will ja auch, dass die Spieler in einen Spielrhythmus kommen, eine gewisse Leistungsfähigkeit und Sicherheit haben.» Schonen für die WM? Das gehe nicht.
Bierhoff hofft, dass Hofmann, der erst mit 28 Jahren im Nationalteam debütierte, seine erste WM nicht verpasst. Schon während der EM im vergangenen Jahr war er überwiegend verletzt, spielte nicht. Inzwischen hat sich der Gladbacher jedoch unter Flick in der DFB-Elf etabliert. «Mich freut, welchen Werdegang er auch bei uns gegangen ist. Er ist ein lieber, intelligenter Junge, der mit seiner Vielseitigkeit den Trainern mehrere Optionen gibt und mit seiner Spielintelligenz auch immer wieder der Mannschaft hilft und wirklich tolle Leistungen gezeigt hat», sagte Bierhoff.