Ein Sieg gegen Frankreich – und die deutschen Fußballerinnen hätten ihr Olympia-Ticket für Paris sicher. Doch der Weg über das Final-Four-Turnier der Nations League könnte ein Zitterspiel werden. Erst mal wartet im Halbfinale am Freitag (21.00 Uhr/ARD) in Lyon das französische Weltklasse-Team.
Interims-Bundestrainer und Hoffnungsträger Horst Hrubesch sieht die Chancen bei «50:50». Er selbst sei ja sowieso immer positiv, so der 72-Jährige am Donnerstag. «Aber ich denke, die Mädels sind’s auch. Wir glauben an unsere Möglichkeit. Ich hoffe wirklich, dass wir sie auch nutzen.»
Wie ist die Ausgangslage?
Mit einem Erfolg gegen Frankreich wären die Vize-Europameisterinnen von 2022 bei den Sommerspielen dabei. Da die Französinnen als Olympia-Gastgeber automatisch qualifiziert sind, bekäme das Hrubesch-Team im Falle einer Niederlage eine zweite Chance im Spiel um Platz drei beim Final Four der Nations League: Dann wäre am kommenden Mittwoch in Sevilla oder Heerenveen der Verlierer der Partie zwischen den Weltmeisterinnen aus Spanien und den Niederlanden der Gegner. Hrubesch will aber unbedingt schon gegen Frankreich alles klarmachen.
Wie steht’s um das Personal?
Bei der Vorbereitung auf dem DFB-Campus hatte Hrubesch alle 23 nominierten Spielerinnen dabei. Nur auf Abruf bereit stehen die EM- und WM-Teilnehmerinnen Lina Magull, Felicitas Rauch und Nicole Anyomi. Neuling im Kader ist die Wolfsburger Stürmerin Vivien Endemann (22). Hrubesch plant offensichtlich mit der Doppelspitze Lea Schüller/Alexandra Popp. Die Defensivachse sollen Torhüterin Merle Frohms, die Innenverteidigung mit Marina Hegering und Kathrin Hendrich sowie Lena Oberdorf im Mittelfeld bilden – alle vom VfL Wolfsburg. Für Mittelfeldspielerin Sara Däbritz von Olympique Lyon ist es ein Heimspiel.
Wie ist die Form?
Zuletzt schwankend. Unter Hrubesch schaffte die DFB-Auswahl nach der verpatzten WM von Australien mit einem Sieg gegen Dänemark und einem Remis gegen Wales immerhin die Teilnahme am Final Four. Vor allem in der Offensive fiel Popp und Co. oft zu wenig ein. Hrubesch fordert Körperlichkeit und Tempo über die Außen.
Wie stark ist Frankreich?
Das Team von Trainer Hervé Renard hat in seiner Historie noch nie einen internationalen Titel gewonnen, aber starke Spielerinnen von Olympique Lyon und Paris Saint-Germain in seinen Reihen. In der FIFA-Rangliste belegt es derzeit Rang drei hinter Spanien und den USA. Gegen Deutschland fehlt die verletzte Weltklasse-Abwehrspielerin Wendie Renard. Die DFB-Frauen haben zuletzt gute Erfahrung gegen die Nachbar-Nation gemacht, unter anderem bei der EM 2022 in England das Halbfinale gewonnen.
Wie sieht die Olympia-Historie aus?
2016 in Rio gewannen die deutschen Fußballerinnen mit Bundestrainerin Silvia Neid Gold – während Hrubesch als damaliger Verantwortlicher der DFB-Männer im Finale Brasilien unterlag. Der 72-Jährige will unbedingt noch mal Olympia erleben. Nur deshalb hat er sich breitschlagen lassen, die Frauen-Auswahl zum zweiten Mal nach 2018 übergangsweise zu übernehmen. Die Sommerspiele von Tokio hatte das Nationalteam verpasst.
Wie geht es nach der Olympia-Qualifikation weiter?
Bereits im April starten die DFB-Frauen in die Qualifikation für die EM 2025 in der Schweiz. Unklar ist, wie und ob der Verband die Zeit während der Spiele in Paris (26. Juli bis zum 11. August) nutzen wird, falls es nichts mit einer Olympia-Teilnahme wird. Da will die neue Sportdirektorin Nia Künzer noch mit den Vereinen sprechen.
Wie wird aus Hrubesch?
Klar ist, dass das HSV-Idol nach den Sommerspielen aufhört – wenn seine Auswahl dabei ist. Bei einer verpassten Olympia-Teilnahme wäre er allenfalls bereit, für eine kurze «Übergangszeit» weiter auszuhelfen, sieht aber bei einem anstehenden Umbruch andere gefordert. Über den Fahrplan des DFB wollte Künzer keine Auskunft geben. «Wenn es so weit ist, werden wir uns dazu äußern», sagte die 44 Jahre alte Weltmeisterin von 2003. «Die Szenarien sind klar und wir sind auf alles vorbereitet.» Falls es nichts mit Olympia wird, ist der DFB gefordert, schnell die Hrubesch-Nachfolge zu regeln. Schon das Ende der Amtszeit von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg im vergangenen Jahr war eine Hängepartie, die die Spielerinnen nicht guthießen.