Der Torjäger verärgert, die Vereinsspitze verwundert – vor dem finalen Vertragspoker um seine Zukunft geht Erling Haaland auf Distanz zu Borussia Dortmund.
Selbst seine beiden Treffer zum 5:1 (3:0) über Freiburg konnte den Norweger nicht besänftigen. Noch während sich seine freudestrahlenden Mitspieler von den 750 Fans feiern ließen, gab er dem norwegischen TV-Sender Viaplay ein Interview – mit grimmiger Miene und deutlichen Worten. «Die letzten sechs Monate habe ich beschlossen, aus Respekt vor Dortmund nichts zu sagen. Nun hat der Club begonnen, mich zu drängen, eine Entscheidung zu treffen. Aber alles was ich will, ist Fußball spielen.»
Damit verschaffte der 21 Jahre alte Ausnahmestürmer seinen Unmut über die Forderung der Clubspitze Luft, bis März seine Zukunft zu klären. Spontan dürfte das «Wut-Interview» («Bild») mit dem ehemaligen Profi Jan Age Fjortoft (55), der Landsmann und Freund der Familie Haaland ist, jedoch nicht geführt worden sein. Wahrscheinlicher ist, dass der 21 Jahre alte Ausnahmestürmer damit bei seinem Verein und anderen interessierten Clubs die ultimative Entscheidungsphase einleiten wollte. «Sie wollen eine Antwort. Es ist also an der Zeit, die Dinge in Angriff zu nehmen. Es bedeutet, dass nun etwas passieren wird», kommentierte Haaland mit fast drohendem Unterton.
Haaland: «Will mich auf Fußball konzentrieren»
Aufgrund einer Ausstiegsklausel kann er den Bundesliga-Zweiten trotz eines bis 2024 datierten Vertrags in diesem Sommer für 75 Millionen Euro verlassen. Kaum vorstellbar, dass die angeblich noch für Januar vorgesehenen ersten Gespräche zwischen Haaland, seinem Berater Mino Raiola und dem BVB nun noch in entspannter Atmosphäre stattfinden. Auf die Frage, wann der ideale Zeitpunkt für eine Entscheidung gekommen sei, antwortete er: «Jetzt nicht, weil wir mitten in einer schwierigen Phase mit vielen Spielen sind. Ich will mich auf Fußball konzentrieren. Denn dann bin ich am besten. Nicht, wenn mir andere Dinge durch den Kopf gehen.»
Die Kritik des von vielen europäischen Topclubs umworbenen norwegischen Nationalspielers dürfte die Chance auf seinen Verbleib in Dortmund weiter schmälern. In einer ersten Reaktion auf die brisanten Aussagen versuchte Hans-Joachim Watzke die Wogen zu glätten: «Es gibt keine Probleme mit ihm. Er ist jung, er darf das.» Noch hat der BVB-Geschäftsführer die Hoffnung auf eine Einigung nicht aufgegeben: «Wenn es so kommt, dass er bleibt, freuen wir uns sehr.»
Gleichwohl hält Watzke den Vorwurf Haalands, unter Druck gesetzt zu werden, für übertrieben: «Es gibt aktuell weder Gespräche noch Termine, daher kann ich das nicht nachvollziehen.» Der Verein könne nicht bis Mai warten, «das wird ihm auch einleuchten. Dass man irgendwann mal über die Zukunft spricht, muss er als Profi auch verstehen.»
Ähnlich wie Watzke reagierte auch Michael Zorc mit Befremden auf die Vorwürfe. «Es gibt keinen Druck, keine Gespräche, keine Fristen oder Deadlines. Klar ist aber auch, dass wir nicht erst im Sommer wissen wollen, wie seine Entscheidung ausfällt, das wird er auch verstehen, das ist im Fußball völlig normal», sagte der Dortmunder Sportdirektor der «Bild».
Auch Kehl verwundert
Nicht minder verwundert reagierte Sebastian Kehl. «In den nächsten Tagen werde ich mit ihm darüber sprechen, was ihn gerade bewegt und wieso er nach einem 5:1-Sieg darauf kommt, dieses Thema so zu platzieren und so stark von Druck zu sprechen,» sagte der Lizenzspielerchef in der Sport1-Sendung «Doppelpass».
Auch der künftige Sportdirektor warb bei Haaland um Verständnis für den Wunsch des Vereins nach Klarheit. «Weil er so wichtig für uns ist, muss ab einem gewissen Punkt für uns Planungssicherheit herrschen. Wie soll ich denn bitte schön meine Kaderplanung vorantreiben, wie wir einen Erling Haaland ersetzen können, wenn wir nicht zu einem gewissen Zeitpunkt eine Tendenz mitbekommen, möchte der Spieler noch bei Borussia Dortmund bleiben oder nicht. Das ist einfach legitim, das ist super professionell», kommentierte Kehl.
BVB-Kantersieg wird zur Nebensache
Angesichts der brisanten Haaland-Aussagen geriet das sportliche Geschehen in den Hintergrund. Dabei trat der BVB im Spiel gegen das bisherige Überraschungsteam aus Freiburg wie ein echter Titelaspirant auf und setzte mit dem höchsten Saisonsieg den Tabellenführer FC Bayern München weiter unter Druck. Anders als am Ende der Hinrunde, als der BVB in vier Partien nur vier Punkte verbuchte, ist das Team zurück in der Spur.
Der erfolgreiche Rückrundenauftakt mit Siegen über Frankfurt (3:2) und Freiburg schürt bei allen Beteiligten den Glauben, vielleicht doch noch in den Titelkampf eingreifen zu können. «Vor der Winterpause haben wir noch über zwei schlechte Spiele geredet und dass die Bundesliga langweilig wird. Wir wollen vorne dranbleiben», kommentierte Trainer Marco Rose.
Ähnlich kämpferisch klang Mittelfeldspieler Julian Brandt: «Wir wollten nach dem Spiel gegen Frankfurt einiges besser machen. Wir haben dort das Spiel zwar gewonnen, die Leistung war aber nicht berauschend. Heute wollten wir was zeigen, um in der Bundesliga auch ein Zeichen zu setzen.»