Im Scheitern der Allergrößten findet Pep Guardiola Ansporn beim nächsten Anlauf auf Europas Fußball-Krone. Basketball-Ikone Michael Jordan und Golf-Legende Jack Nicklaus seien doch auch längst nicht immer Gewinner gewesen, ließ der Trainer mit Blick auf seine bislang vergebliche Jagd nach dem Champions-League-Triumph mit Manchester City wissen.
«Sie verlieren mehr als sie gewinnen. Das ist Sport», sagte Guardiola. Im Halbfinale gegen die Titelmaschine Real Madrid will der Coach der Cityzens aber nicht schon wieder ein grandioses Scheitern erklären müssen.
«Wenn man diesen Wettbewerb gewinnen will, muss man Real Madrid schlagen», stellte Guardiola vor dem Hinspiel beim Titelverteidiger am Dienstag (21.00 Uhr/Prime Video) trefflich fest. Im Vorjahr war City das nicht gelungen. Nach einem irrwitzigen 4:3 zu Hause verloren die Engländer das Rückspiel in Madrid nach ganz späten Gegentoren mit 1:3 nach Verlängerung. Bei Guardiolas siebtem Versuch, mit City die Königsklasse zu gewinnen, steht nun wieder der Rekordsieger im Weg.
Triple winkt
Es besteht kein Zweifel daran, dass der Henkelpott für das mit Milliardensummen aus Abu Dhabi alimentierte City über allem steht, auch wenn in dieser Saison ein Triple winkt. In der Premier League ist Guardiolas Team auf dem besten Wege, den Titel zu verteidigen und die fünfte Meisterschaft in sechs Jahren zu gewinnen. Im FA-Cup-Finale gilt sein Team gegen den Lokalrivalen Manchester United als Favorit. Die nationalen Trophäen wären aber nur Trostpreise, wenn es wieder nichts mit dem Triumph in der Champions League werden sollte.
Guardiola hat diesen Pokal schon zweimal erobert. Die Erinnerung an die Finalsiege mit dem FC Barcelona 2009 und 2011 sind jedoch schon etwas verblasst. Mit dem FC Bayern schied der Spanier dreimal nacheinander im Halbfinale aus, einmal auch krachend gegen das auch damals von Carlo Ancelotti trainierte Real Madrid. Schon da musste er die Kritik ertragen, er habe die Titelchancen mit allzu verkopften taktischen Experimenten verspielt. Beim verlorenen Endspiel 2021 mit City gegen Thomas Tuchels FC Chelsea trafen Guardiola ähnliche Vorwürfe.
Dass es diesmal anders läuft, dafür könnte vor allem Erling Haaland sorgen. Der Super-Torjäger mit Rekordquote gibt Manchesters Fußballkünstlern eine brutal effektive Zuspitzung, die in vergangenen Jahren oft fehlte. Das mussten auch im Achtelfinale RB Leipzig und im Viertelfinale der FC Bayern schmerzlich erfahren, als der 22 Jahre alte Norweger sieben Tore in vier Partien erzielte.
Dass Haaland beim schmucklosen 2:1 gegen Leeds United zuletzt nicht wie geplant einen Elfmeter schoss und den Ball selbstlos Ilkay Gündogan überließ, machte Guardiola mächtig sauer. «Du musst ihn machen. Erling, du musst den schießen», schrie der Coach, nachdem Gündogan nur den Pfosten getroffen hatte. Guardiola will den maximalen Erfolg – und Haaland ist sein Mann dafür.
Real ohne Abwehrchef
Ausgerechnet beim ersten Duell mit Haaland und City muss Real auf den gesperrten Abwehrchef Eder Militão verzichten. Dass dafür Antonio Rüdiger in der Startelf steht, ist nicht sicher. Nacho könnte den deutschen Nationalspieler verdrängen. Toni Kroos gilt dagegen weiter als gesetzt. Mit dem Gewinn der Copa del Rey hat der Weltmeister von 2014 gerade erst seine Trophäensammlung mit Real komplettiert.
Mit dem ersten Pokalsieg seit neun Jahren im Rücken geht Ancelottis Team mit etwas weniger Druck ins Gigantenduell. Doch am Bernabéu-Stadion weiß man: Der nationale Pokal allein wäre für die erfolgsverwöhnten Fans von Real Madrid am Saisonende zu wenig. Die Meisterschaft hat Erzrivale FC Barcelona praktisch sicher. Also soll der 15. Champions-League-Titel her.
Deshalb dachte am Samstagabend nach dem 2:1-Finalerfolg über Osasuna niemand an eine größere Party. «Ausruhen», lautete die von Trainer Ancelotti und Clubboss Florentino Pérez ausgegebene Devise. «Wir wollen mit dem Gewinnen nicht aufhören. Jetzt heißt es deshalb ausruhen, wir stehen vor dem wichtigsten Match der Saison», sagte auch der zweifache Torschütze Rodrygo.